Britisches Gutachten: Erneuter Freispruch für Duogynon

Bonn – Ob Primodos sowie vergleichbare Hormonpräparate embryonale Missbildungen begünstigen könnten, war Gegenstand einer zweijährigen Untersuchung in Großbritannien. Die Ergebnisse wurden heute bekanntgegeben. Einen kausalen Zusammenhang konnte das britische Expertengremium trotz einer statistisch signifikanten Häufung von Geburtsfehlern nicht feststellen.
Damit wurde die Einschätzung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFArM) von 2012 bestätigt. Die Östrogen-Progesteron-Kombination wurde bis 1980 auch in Deutschland unter den Markennamen Duogynon beziehungsweise Cumorit als hormoneller Schwangerschaftstest und zur Behandlung von Menstruationsstörungen eingesetzt. Primodos hieß das Arzneimittel in Großbritannien.
Dem Expertengremium gehörten Mitglieder des parlamentarischen Gesundheitsausschusses von Großbritannien an, die von der britischen Arzneimittelbehörde (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) unterstützt wurden.
Unter Berücksichtigung der methodischen Beschränkungen der damaligen Zeit habe die Bewertung der Gesamtheit der begutachteten wissenschaftlichen Daten durch die Expertengruppe keine Anhaltspunkte für einen kausalen Zusammenhang zwischen der Anwendung solcher Produkte und Geburtsfehlern sowie Fehlgeburten ergeben.
In Deutschland wurde das Arzneimittel Duogynon ab den 1950er-Jahren als Dragee und als Spritze zum hormonellen Nachweis einer Schwangerschaft verwendet. Basierend auf Einzelfallberichten und Publikationen wurde in der Folge die Frage gestellt, ob seine Anwendung in der Frühschwangerschaft Fehlbildungen bei Neugeborenen hervorrufen könnte. Die Zulassungen für beide Arzneimittel (Duogynon/Cumorit) sind nach schriftlichem Verzicht bereits 1980 erloschen.
BFArM-Fazit lautete bereits 2012: Ein teratogener oder embryotoxischer Effekt von Duogynon ist unwahrscheinlich
Seit 2009 hatten sich in diesem Zusammenhang Betroffene an das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das BfArM gewandt. Das BfArM hatte dazu bereits in den Jahren 2010 und 2011 das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie, Institut für klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit der Untersuchung einer retrospektiven Fallserie „Angeborene Fehlbildungen nach Applikation einer Östrogen-Progesteron-Kombination (Duogynon®) – eine retrospektive Fallserie“ beauftragt.
Insbesondere sollte darin, basierend auf den auszuwertenden Fallmeldungen, die Frage beantwortet werden, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen angeborener Entwicklungsanomalien und der mütterlichen Duogynon-Exposition in der frühen Schwangerschaft plausibel erscheint. Die Analyse und deren Ergebnisse wurden im Jahr 2012 fertiggestellt und veröffentlicht.
Darin kamen die Experten ebenfalls zu dem Schluss, dass ein teratogener oder embryotoxischer Effekt von Duogynon, zu welchem Zwecke auch immer angewendet, unwahrscheinlich sei – trotz einer statistisch signifikanten Häufung von Blasenekstrophien bei den untersuchten 296 Kindern. Die Häufung der Fälle führen die Autoren aber auf die Publizität zurück, die die Klage in der deutschen Öffentlichkeit hatte. Beim BfArM waren bis 2012 insgesamt 411 Fallmeldungen über angeborene Entwicklungsanomalien nach Duogynon-Exposition in der Frühschwangerschaft eingegangen.
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