EU-Verordnung über klinische Prüfungen: Kompromiss verabschiedet

Köln – Der Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments hat am 22. Januar die Neufassung der Verordnung für Arzneimitteltests am Menschen einstimmig angenommen, auf die sich zuvor bereits Vertreter der Mitgliedstaaten und des Europäischen Parlaments geeinigt hatten. Die Verordnung zielt darauf, Bürokratie bei den Genehmigungsverfahren für klinische Prüfungen abzubauen, mehr Transparenz über die Ergebnisse klinischer Studien zu schaffen und zugleich ein hohes Schutzniveau für die Probanden zu gewährleisten. Die endgültige Verabschiedung des Verordnungstextes durch das Europaparlament und den Ministerrat im April gilt als reine Formsache. Wirksam wird die Verordnung Mitte 2016.
„Unterm Strich erreichen wir damit viele Verbesserungen gerade für die akademische Forschung“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Christdemokraten im Europäischen Parlament, Peter Liese (CDU), gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Zumal es gelungen sei, „problematische Punkte“ aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf der EU-Kommission herauszuverhandeln.
Diese hatte für ihren Entwurf vom Juli 2012 massive Kritik einstecken müssen. Damit werde der Patientenschutz zugunsten eines Ethik-Shopping aufgeweicht, lautete beispielsweise der Vorwurf der Bundesärztekammer. Mit dem erzielten Kompromiss können sich jetzt aber offenbar im Großen und Ganzen auch die Kritiker anfreunden.
So findet der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen in Deutschland seine grundsätzlichen Bedenken in der Neufassung berücksichtigt, wie dessen Vorsitzender Joerg Hasford gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt erklärte. Positiv sei insbesondere, dass die Ethikkomissionen, die im Ursprungsentwurf gar nicht vorkamen, wieder integraler Bestandteil des Genehmigungsverfahrens seien.
Kritisch sieht Hasford jedoch nach wie vor, dass die Verordnung das Prinzip der stillschweigenden Genehmigung einführt. Das bedeutet: Äußert sich die Genehmigungsbehörde nicht in der vorgeschriebenen Frist, gilt dies automatisch als Zustimmung im Sinne des Antragstellers. Hier bestehe die Gefahr, dass man die Dinge laufen lasse und letztlich niemand mehr verantwortlich zeichne, wenn etwas schief laufe.
Streit gab es dem Europapolitiker Liese zufolge auch um die Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten. Hier habe sich eine Mehrheit der Mitgliedstaaten mit der Forderung durchgesetzt, dass nicht nur Tests, bei denen man einen Nutzen für den einzelnen Patienten erwartet, sondern auch gruppennützige Forschung zugelassen wird – wenn auch nur bei minimalen Risiken und minimaler Belastung für die Probanden.
„Ich halte diese Passage für problematisch, deswegen ist es gut, dass Parlament und Bundesregierung durchgesetzt haben, dass strengere Schutzstandards in den Mitgliedsstaaten erhalten bleiben können. Ich rechne fest damit, dass Deutschland davon Gebrauch machen wird", erklärte Liese.
Die wesentlichen Neuregelungen:
Die EU-Verordnung 2012/0192 (COD) über klinische Prüfungen löst eine EU-Richtlinie von 2001 ab, die in den Mitgliedstaaten nie einheitlich umgesetzt wurde. Im Unterschied zur Richtlinie gilt die Verordnung nach Inkrafttreten unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.
Pharmaunternehmen oder Forschungseinrichtungen stellen Genehmigungsanträge für klinische Prüfungen künftig über ein zentrales Online-Portal.
Multinationale Studien koordiniert federführend ein Mitgliedstaat. Betroffene Mitgliedstaaten haben Mitspracherechte, bis hin zum opt out.
Genehmigungs- und Bearbeitungsfristen wurden leicht verkürzt. Werden Fristen überschritten, gilt die Genehmigung als erteilt.
Klinische Prüfungen mit niedrigem Risiko für die Patienten werden erleichtert. In Cluster-randomisierten Studien, bei denen nicht der einzelne Patient der Therapie zugeordnet wird, sondern Gruppen von Patienten, müssen die Probanden zwar aufgeklärt werden, aber nicht mehr individuell zustimmen (informed consent).
Eine unabhängige, interdisziplinär besetzte Ethikkommission muss Prüfungsanträge genehmigen.
Die Ergebnisse aller klinischen Studien müssen veröffentlicht werden. Bei Zulassungsstudien gilt das auch für die ausführlichen klinischen Studienberichte (Clinical Study Reports).
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