Skepsis und Zuversicht bei Familienpflegezeit

Berlin – Am 1. Januar 2012 tritt das Familienpflegezeitgesetz in Kraft. Angehörige erhalten dadurch die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit zur Pflege eines Angehörigen maximal zwei Jahre lang auf bis zu 15 Stunden pro Woche zu reduzieren.
In dieser Zeit erhalten sie 75 Prozent ihres letzten Bruttogehalts. Für die Dauer der Pflegezeit müssen sie später für 75 Prozent ihres Gehaltes wieder voll arbeiten. Einen gesetzlichen Anspruch auf Familienpflegezeit gibt es jedoch nicht.
„Einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit gibt es nicht, weil wir zugleich eine Kleinbetriebsklausel hätten aufnehmen müssen“, erklärte der Staatssekretär im Bundesfamilienministerium, Josef Hecken, auf einer Diskussionsveranstaltung des Ministeriums am Mittwoch in Berlin.
Eine solche Klausel hätte alle Betriebe mit 15 oder weniger Beschäftigten von den Regelungen des Gesetzes ausgenommen und damit 40 Prozent aller Arbeitnehmer. „Mit einem solchen Rechtsanspruch wäre also für diese Beschäftigten nichts gewonnen gewesen.“
Hecken glaubt, dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung Familienpflegezeit anbieten werden, da viele darauf angewiesen seien, ihre Beschäftigten im Unternehmen zu halten.
Dieser Ansicht war auch die Pflegeexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Cornelia Upmeier: Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels müsse sich ein Unternehmen fragen, was es koste, einem Beschäftigten Pflegezeit zu geben, und was es koste, ihn ganz zu verlieren. Upmeier wies zudem darauf hin, dass die Unternehmen noch stärker über die Inhalte des Gesetzes aufgeklärt werden müssten, da viele so in ihrer täglichen Arbeit steckten, dass sie noch gar nichts davon wüssten.
Die Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Sabine Jansen, glaubt nicht, dass viele Unternehmen ihren Mitarbeitern Pflegezeit gewähren werden. Sie zeigte sich zudem enttäuscht darüber, dass das von der Regierung groß angekündigte „Jahr der Pflege“ nur ganz kleine Verbesserungen gebracht habe. „Wir wünschen uns mal den großen Wurf“, so Jansen.
Für die Präsidentin des Familienbundes der Katholiken, Elisabeth Bußmann, ist die Familienpflegezeit ein Schritt in die richtige Richtung. Auch sie glaubt jedoch nicht daran, dass die Familienpflegezeit auf freiwilliger Basis funktionieren werde, da sich insbesondere kleinere Unternehmen nicht erlauben könnten, Mitarbeiter freizustellen.
Bußmann plädierte dafür, neue Verantwortungsgemeinschaft zu organisieren und zum Beispiel auch Nachbarn und Freunde mit einzubeziehen, damit nicht einzelne die Pflege ihrer Angehörigen alleine schultern müssten.
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