E-Zigaretten: Studie bestätigt Vitamin E als Verursacher von EVALI
Atlanta – US-Behörden haben letzte Woche die Internetseiten von 44 Anbietern illegaler Liquids für E-Zigaretten mit der Cannabisdroge Tetrahydrocannabinol (THC) schließen lassen. Die mit Vitamin E-Acetat gestreckten Liquids sind nach einer Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2019; DOI: NEJMoa1916433) für die schweren Lungenschäden verantwortlich, an denen nach jüngsten Zahlen bis Mitte Dezember 2.506 Menschen erkrankt und 52 gestorben sind (MEJM 2019; DOI: 10.1056/NEJMsr1915313 und MMWR 2019;DOI: 10.15585/mmwr.mm685152e1).
Die Internetläden wurden auf Bestreben der Food and Drug Administration (FDA) und der Drug Enforcement Administration (DEA) geschlossen. Die Behörden waren teilweise durch Interviews mit betroffenen Patienten, teils durch eigene Recherchen auf die Anbieter der THC-Liquids aufmerksam geworden.
Die FDA hat nach eigenen Angaben mittlerweile mehr als 1.200 Proben aus 31 Bundesstaaten asserviert und untersuchen lassen. Die meisten Proben konnten Patienten zugeordnet werden, die an EVALI („e-cigarette, or vaping, product use associated lung injury“) erkrankt waren. In den Analysen wurde laut FDA keine einzelne Substanz gefunden, die in allen Liquids vorhanden war. Trotzdem erhärtet sich der Verdacht, dass Vitamin E-Acetat der Verursacher der schweren Lungenschäden ist, an denen seit Juli vor allem jüngere Anwender von E-Zigaretten erkrankt sind.
Die Evidenz gründet sich auf die Untersuchung der Bronchiallavagen von 51 Patienten, die in verschiedenen Kliniken in 16 US-Staaten behandelt wurden. Wie Benjamin Blount und Mitarbeiter der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in Atlanta berichten, wurde bei 48 Patienten (94 Prozent) in der asservierten Bronchialflüssigkeit Vitamin E-Acetat nachgewiesen. Es war bei keinem einzigen von 99 Vergleichspersonen nachweisbar, bei denen an den gleichen Kliniken aus anderen Gründen Bronchiallavagen durchgeführt wurden. Bei den 51 Patienten mit EVALI wurden in der Bronchialflüssigkeit keine anderen potenziellen Toxine identifiziert mit Ausnahme von Kokosnussöl und Limonen (ein monozyklisches Monoterpen), die bei jeweils einem Patienten gefunden wurden.
Von den 50 EVALI-Patienten, für die Labor- oder epidemiologische Daten vorlagen, hatten 47 nachweisbar THC konsumiert. Entweder war die Droge oder seine Metaboliten noch in der Bronchialflüssigkeit nachweisbar, oder die Betroffenen hatten zugegeben, in den letzten 90 Tagen vor Beginn der Krankheit THC-haltige Liquids verwendet zu haben. Bei den anderen drei Patienten kann aufgrund der Krankengeschichte eine andere Diagnose als EVALI nicht sicher ausgeschlossen werden.
Der Anstieg von EVALI-Diagnosen seit Mitte des Jahres korrelierte auch mit dem Nachweis von Vitamin E-Acetat in den beschlagnahmten THC-Liquids. Proben aus dem letzten Jahr hatten noch kein Vitamin E-Acetat enthalten. Es wurde von den Anbietern erst in diesem Jahr den THC-Liquids zugefügt. Blount vermutet, dass Vitamin E-Acetat als Streckmittel verwendet wurde, weil es eine ähnliche Viskosität wie die THC-Öle hat.
Vitamin E-Acetat ist ein zugelassener Zusatzstoff für Nahrungsmittel und Arzneimittel. Die orale Aufnahme und die Verwendung in Dermatika gelten als sicher. Die inhalative Anwendung wurde offenbar toxikologisch bisher nicht untersucht.
Wie die Lungenschäden entstehen, ist nicht klar. Vitamin E-Acetat ist ein Ester von Vitamin E (alpha-Tocopherol) mit einer Essigsäure. Die Essigsäure versieht das Vitamin E-Molekül mit einem langen aliphatischen „Schwanz“. Er könnte die Surfactant-Schicht in den Alveolen durchdringen und sich mit den Phospholipiden in den Zellmembranen verbinden. Dies könnte zur Zerstörung der Surfactant-Schicht führen. Die Folge wäre ein Kollaps der Alveolen.
Nach einer anderen Vermutung könnte das Vitamin E-Acetat-Molekül durch die Erhitzung an den Heizspiralen der E-Zigaretten aufgebrochen werden. Dabei würde ein Keten-Molekül entstehen, das bekanntermaßen toxisch für die Lungen ist.
Ob diese Vermutungen zutreffen, müssen weitere Studien zeigen. Die FDA und die DEA wollen mit der Schließung der Internet-Shops verhindern, dass weitere Personen an EVALI erkranken. Nach den Zahlen der CDC ist es nach einem Peak am 8. September bereits zu einem Rückgang der Erkrankungsfälle gekommen. Ob dies auf eine größere Vorsicht der Anwender oder auf eine höhere Qualität der illegalen Liquids zurückzuführen ist, muss offen bleiben.
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