Experten legen Gutachten zu Pflegebedürftigkeit vor

Köln – Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen sollen mehr Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten. Das geht aus einem Gutachten des „Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs“ hervor, das heute in Berlin vorgelegt wurde. Vorgesehen ist unter anderem ein neues Begutachtungsverfahren. Kognitive Defizite sollen dabei genauso berücksichtigt werden wie körperliche Einschränkungen. Statt drei Pflegestufen soll es fünf Pflegegrade geben
Im Kern geht es um die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Bislang ist die Pflegeversicherung einseitig auf körperliche Gebrechen ausgerichtet. Künftig sollen Betreuungsleistungen eine feste Säule in der Pflegeversicherung sein, nicht mehr nur klassische Pflegetätigkeiten wie Waschen, Anziehen und Füttern.
Mit Bericht der Expertenkommission liege nun ein „stimmiges Konzept vor“, das Grundlage für eine Gesetzesreform nach der Bundestagswahl sei, erklärten die beiden Beiratsvorsitzenden, Wolfgang Zöller und Klaus-Dieter Voß. die Empfehlungen könnten laut Beirat binnen 18 Monaten umgesetzt werden.
Die Kosten für die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs sind noch unklar. Der Expertenbeirat nannte in seinem Bericht keine konkrete Summe. Zöller bezifferte in der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ die Gesamtkosten auf mehr als zwei Milliarden Euro. Die SPD geht indes von fünf Milliarden Euro aus.
Der Expertenrat, dem unter anderem Wissenschaftler sowie Vertreter von Kassen, Sozialverbänden und Pflegeorganisationen angehören, war vor 15 Monaten von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) berufen worden. Bahr verteidigte die lange Beratungszeit. Es habe viele „noch offene Fragen“ gegeben, sagte er. So sei es darum gegangen, heutige Pflegebedürftige „nicht schlechter zu stellen“. Mit dem Bericht liege nun eine „fachlich fundierte Grundlage für den Systemwechsel“ vor, erklärte Bahr. Im nächsten Schritt gehe es um die gesetzliche Umsetzung nach der Bundestagswahl.
Die Reaktionen auf das Gutachten waren unterschiedlich. Der Sozialverband Deutschland begrüßte die Vorschläge des Beirats zur Pflegereform. Zugleich wies der Verbandspräsident Adolf Bauer aber darauf hin, dass die Pläne nun zügig umgesetzt werden müssten. „Nach dem Urnengang im September darf es keine weiteren Verzögerungen geben. Egal wer dann regiert, die Pflegereform muss umgehend in Angriff genommen werden“, sagte Bauer.
Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, wies darauf hin, dass allein ein neuer Pflegebegriff die Probleme nicht löse. „Nun ist die Politik gefordert, konkrete Beträge für die künftigen Leistungen zu benennen. Erst dann wird für pflegebedürftige Menschen und auch für die Pflegeeinrichtungen deutlich, ob und was genau sich ändert bei dem Wechsel von jetzt drei Pflegestufen auf künftig fünf Pflegegrade“, so Meurer.
Kritik kam vom Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Zwar sei es gelungen die guten Ansätze aus dem Gutachten des ersten Beirates aus dem Jahr 2009 zu bewahren. Allerdings sei es der verantwortlichen Bundesregierung erneut nicht gelungen ist, die Pflegeversicherung grundsätzlich zu reformieren. „Das vermutete Kalkül des Gesundheitsministers, der Beirat werde so lange für den Bericht brauchen, dass eine politische Entscheidung in dieser Legislaturperiode nicht mehr möglich sein wird, ist aufgegangen“, heißt es in der Erklärung des DBfK.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, erklärte: „Demenziell erkrankte Menschen und ihre Angehörigen werden noch jahrelang auf konkrete Hilfe warten.“
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