Medizin

Tetraplegiker kann mit Neuroprothese essen und trinken

  • Mittwoch, 29. März 2017
Uploaded: 29.03.2017 16:17:38 by mis
http://thedaily.case.edu/man-quadriplegia-employs-injury-bridging-technologies-move-just-thinking/

Cleveland - Ein 53 Jahre alter Mann, der seit einem Fahrradunfall von der Schulter abwärts gelähmt ist, kann dank einer Neuroprothese und mit Unterstützung eines Schwenkarms wieder einfache Tätigkeiten mit der rechten Hand verrichten. Der Bericht im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)30601-3) zeigt, dass die Entwicklung von intrakraniellen Brain-Computer-Interfaces (iBCI) langsam Fortschritte macht.

Das iBCI musste bei dem tetraplegischen Patienten eine Läsion des Rückenmarks auf Höhe von C4 überbrücken. Dies gelang Neurochirurgen am „Cleveland Functional Electrical Stimulation Center“ durch die Implantation von zwei Mikroelektroden mit jeweils 96 Kanälen. Sie wurden in zwei operativen Eingriffen auf die motorische Rinde (Gyrus praecentralis) dort platziert, wo eine vorherige Ableitung die Repräsentanz der Handbewegungen lokalisiert hatte.

Die aufgefangenen EEG-Signale werden von einem Computer in elektrische Impulse für 36 perkutane Elektroden umgesetzt, darunter vier Elektroden für die Bewegung von Fingern und Daumen: 15 Elektroden sollten Muskeln zur Öffnung oder Schließung der Hand bewegen, 25 Elektroden sollten Beugung und Streckung im Ellenbogengelenk ermöglichen, über 25 Elektroden soll das Handgelenk gebeugt oder gestreckt werden, und 27 Elektroden sollten eine Abduktion und Adduktion im Schultergelenk veranlassen.

Der Patient absolvierte ein 18-wöchiges Trainingsprogramm, in dem er lernte, kraft seiner Gedanken einzelne Bewegungen durchzuführen. Der Arm lag dabei auf einem Schwenkarm, der den gelähmten Arm abstützt und die durch die Elektroden veranlassten Handbewegungen unterstützt.

Wie das Team um Bolu Ajiboye berichtet, gelingen dem Patienten inzwischen einige Bewegungen des Alltags. Dazu gehört das Trinken aus einem Kaffeebecher und der Verzehr von Kartoffelbrei mit einem Löffel. Die Bewegungen sind allerdings schwerfällig und nicht immer fehlerfrei. Die Neuroprothese ist noch nicht so ausgereift, dass sie dem Patienten zu mehr Unabhängigkeit im Alltag verhelfen könnte.

Die Ergebnisse sind jedoch ein Fortschritt gegenüber früheren Versuchen anderer Arbeitsgruppen. Dort waren die Patienten nur in der Lage, die Hand zu öffnen oder zu schießen oder die Bewegungen wurden von Robotern ausgeführt. Eine weitere Option war dort die Steuerung von Exoskeletten. Der jetzige Patient ist laut Ajiboye der erste, der mit der Neuroprothese wieder seine eigene Hand benutzen kann, um Dinge zu greifen, und dem es mit dem eigenen Arm gelingt (wenn auch unter Zuhilfenahme einer Armstütze), Gegenstände zum Mund zu führen.

Der Patient ist einer von geplanten 15 Patienten der „BrainGate2“-Studie, die die Voraussetzungen für einen späteren Einsatz von Neuroprothesen außerhalb des Labors schaffen soll./rme


http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)30601-3/abstract|Abstract der Studie


http://thedaily.case.edu/man-quadriplegia-employs-injury-bridging-technologies-move-just-thinking/|Pressemitteilung der Case Western Reserve University

https://www.eurekalert.org/pub_releases/2017-03/tl-tln032717.php|Pressemitteilung des Lancet

https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT00912041|Registrierung der Studie

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/70004/Brain-Computer-Interface-triggert-partielle-neurologische-Erholung-nach-Querschnittlaehmung|DÄ-Meldung: Brain-Com­puter-Interface triggert partielle neurologische Erholung nach Querschnitt­lähmung

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/64259/Brain-Computer-Interface-Querschnittgelaehmter-macht-erste-Schritte-am-Rollator|DÄ-Meldung: Querschnitt­gelähmter macht erste Schritte am Rollator

rme

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