STIKO empfiehlt Auffrischimpfung gegen Gelbfieber

Berlin − Die Ständige Impfkommission (STIKO) erneuert ihre Empfehlung für die Gelbfieberimpfung: Diese soll nun vor einer erneuten oder fortgesetzten Exposition aufgefrischt werden, sofern die erste Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt.
Den Beschluss vom 8. Juni 2022 gab die STIKO heute im Epidemiologischen Bulletin 32/2022 bekannt. Die Aktualisierung basiert auf Ergebnissen eines systematischen Reviews mit Meta-Analyse, das die bis November 2021 verfügbare Literatur berücksichtigt hat (Clinical Infectious Diseases 2022, DOI: 10.1093/cid/ciac580 ).
„Die seit 2013 auch international kontrovers geführte Diskussion über die Dauer des Schutzes der Gelbfieber-Impfung veranlasste die STIKO zu einer aktualisierten Evidenzaufarbeitung und -bewertung“, sagte Kerstin Kling, Erstautorin der Studie und Mitarbeiterin des Robert Koch-Instituts (RKI), dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ).
2013 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dem Gelbfieberimpfstoff eine lebenslange Wirksamkeit beschieden, davor sollte alle zehn Jahre eine Auffrischimpfung erfolgen. Für Schwangere, Personen mit Immundefizienz sowie Kinder unter zwei Jahren galten gesonderte Bestimmungen. Diesem Beschluss hatte sich die STIKO 2015 angeschlossen.
Seit 2016 ist die einmalige Impfung auch in den Internationalen Gesundheitsvorschriften festgeschrieben: Bei Einreise in ein Endemiegebiet ist damit eine einmalige Impfung für die meisten Reisenden ausreichend.
Grund für das Überdenken der damaligen Impfstrategie durch die WHO sei laut STIKO unter anderem die eingeschränkte Impfstoffverfügbarkeit gewesen.
Evidenz für lebenslange Wirksamkeit nicht ausreichend
Das Risiko für eine schwere unerwünschte Arzneimittelwirkung nach einer Gelbfieberauffrischimpfung sei minimal, heißt es im Epidemiologischen Bulletin weiter.
Ausreichende Daten zu einem Impfschutz über zehn Jahre hinaus gäbe es dagegen nicht, weshalb eine Nutzen-Risiko-Abwägung zugunsten der Boosterimpfung ausgefallen sei.
„Die Auswertung lässt nicht auf eine lebenslange Immunität nach nur einer Impfstoffdosis schließen“, so die Bewertung der STIKO.
Für gesunde Erwachsene bewertet die STIKO den Immunschutz in einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren nach einer Impfung als hoch. Hier haben noch 88 Prozent der Untersuchten einen ausreichenden Antikörperschutz (gepoolte Seroprotektionsrate). Für die Jahre danach gibt es allerdings nur wenige Daten.
Bei Kindern dagegen sinkt die gepoolte Seroprotektionsrate bereits innerhalb der ersten fünf Jahre nach Grundimmunisierung auf 52 Prozent.
Auch bei immundefizienten Personen nimmt die gepoolte Seroprotektion im Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren nach Erstimpfung ab und beträgt 75 Prozent. Für Schwangere existieren keine Daten.
Einen genauen Schwellenwert, ab dem eine Immunität als ausreichend betrachtet wird, gäbe es allerdings nicht, sagte Kling. „Bei einer potenziell tödlichen Erkrankung sind bereits bei geringen Abfällen der initial sehr guten Seroprotektion einige Menschen nicht mehr geschützt.“
Aufgrund dieser Ergebnisse habe die STIKO mit der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit (DTG) in der gemeinsamen Arbeitsgruppe diskutiert und die Empfehlungen angepasst, sagte Kling.
Eines der Kontraargumente gegen die Auffrischimpfung ist der STIKO zufolge eine Impfstoffknappheit in endemischen Ländern. „Gleichwohl gehen wir nicht davon aus, dass die Impfstoffknappheit in endemischen Ländern in einem direkten Zusammenhang mit einer Empfehlung zu Auffrischimpfungen in Deutschland steht“, so Kling.
Diese sei vor allem ein Problem bei Ausbrüchen. Dann erfolge oft eine fraktionierte Gabe des Impfstoffs, bei der in mehreren Studien gezeigt worden sei, dass dies der normalen Dosis nicht unterlegen sei.
Mangelnde Datenlage zu Impfdurchbrüchen
„Vor einigen Jahren hat sich die WHO sehr deutlich zugunsten eines lebenslangen Schutzes positioniert, da es praktisch keine dokumentierten Impfdurchbrüche gibt“, sagte der Infektiologe und Tropenmediziner Tomas Jelinek dem DÄ auf Nachfrage.
Unter anderem aufgrund von zunehmenden Impfungen latent Immunsupprimierter sowie Kindern im ersten Lebensjahr seien Zweifel aufgekommen, ob eine Impfung ausreichend sei.
Für diese Gruppen könnten daher Empfehlungen zu Boosterimpfungen durchaus diskutiert werden, betont der Leiter des Centrums für Reisemedizin (CRM).
„Eine generelle Empfehlung für alle würde ich aber sicher nicht daraus machen, dafür gibt es keine Daten.“
Die STIKO wertet die Datenlage zu Impfdurchbrüchen als ungenügend. Zum einen könne es aufgrund unzureichender lokaler Überwachung, Fallerkennung und Meldungen insbesondere in endemischen Gebieten zu einer Unterschätzung von Impfdurchbrüchen kommen.
Zum anderen hätten vermutlich viele Reisende in endemische Gebiete aufgrund der bis 2016 geltenden Empfehlung für Auffrischimpfungen in den letzten zehn Jahren eine Impfstoffdosis erhalten.
Boosterempfehlung auch für über 60-Jährige
Auch für Personen ab 60 Jahren empfiehlt die STIKO bei einer Gelbfieberexposition eine Boosterimpfung. Allerdings stellt das Alter ab 60 Jahren laut epidemiologischen Bulletin 14/2022 eine relative Gegenanzeige dar und eine Gelbfieberimpfung sollte bei dieser Gruppe „unter sorgfältiger Abwägung der Grunderkrankungen, der Medikamente/Behandlungen, der geplanten Reiseroute etc.“ erfolgen.
Laut Fachinformationen der Impfstoffhersteller, haben Personen ab 60 Jahre ein erhöhtes Risiko für schwere und letale Nebenwirkungen. Eine Impfung sollte danach nur erfolgen, wenn die Person ein signifikantes Risiko habe, an Gelbfieber zu erkranken.
Zertifikat weiterhin lebenslang gültig
„Für die künftige Reiseimpfberatung ist eine Unterscheidung der regulatorischen Seite und der Seite des individuellen Schutzes wichtig“, erläuterte Kling.
Denn das Zertifikat für die Gelbfieber-Impfung bleibt weiterhin lebenslang gültig, wie 2016 in den internationalen Gesundheitsvorschriften festgeschrieben wurde.
Eine nur einmalig geimpfte Person darf demnach nicht abgewiesen werden, auch wenn ihre Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt. „Die geänderte Impfempfehlung soll den bestmöglichen Schutz des Individuums sicherstellen,“ so Kling.
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