Politik

Krankenhäuser protestieren lautstark gegen Kürzungspläne

  • Mittwoch, 15. Oktober 2025
/everythingpossible, stock.adobe.com
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Berlin – Die Krankenhäuser sollen kurzfristig mit 1,8 Milliarden Euro den größten Block tragen, um die Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht weiter anwachsen zu lassen. Ein entsprechendes Vorhaben aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur Beitragsstabilisierung der GKV hat das Bundeskabinett heute verabschiedet. Die Kliniken reagierten empört.

Konkret ist bei den Krankenhäusern vorgesehen, dass diese 90 Prozent der Einsparungen tragen. Erzielt werden soll diese Summe durch eine Änderung der Berechnungsmethode, mit der die GKV den Krankenhäusern jedes Jahr zusätzliches Geld für erwartete Kostensteigerungen überweist.

Dafür wird die sogenannte Meistbegünstigungsklausel ausgesetzt, die für die Krankenhäuser vorteilhaft war. Im kommenden Jahr würden „die Vergütungsanstiege auf die reale Kostenentwicklung begrenzt, tatsächliche Kostensteigerungen werden auch weiterhin refinanziert“, betonte Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Die übrigen zehn Prozent der Einsparungen sollen die Krankenkassen und der Innovationsfonds mit je 100 Millionen Euro tragen.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, warf der Bundesregierung heute „Wortbruch“ vor. „Wer gestern nach jahrelangem Druck aus Krankenhäusern und Ländern den Kliniken endlich den dringend benötigten Ausgleich der seit 2022 extrem gestiegenen Preise zukommen lässt, ihnen morgen aber das Geld über die Hintertür wieder abzieht, hat nichts anderes als die völlige Kehrtwende seiner gerade noch verkündeten krankenhauspolitischen Leitlinie vollzogen“, betonte Gaß in einem offenen Brief an Warken.

Wer dann auch noch behaupte, dass die Krankenhäuser durch die Kürzung kein Geld verlieren würden, weil sie ansonsten zu viel Geld bekommen hätten, sei „entweder dreist oder hat das System der Krankenhausfinanzierung nicht verstanden“.

Gaß erläuterte, dass die Landesbasisfallwerte seit Jahren langsamer steigen würden als die Kosten der Krankenhäuser. Und einen Automatismus zur Erhöhung der Landesbasisfallwerte gebe es auch nicht. „Die Landesbasisfallwerte sind immer Ergebnis der Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften auf Landesebene“, erklärte Gaß.

Kliniken wollen Kompensation

Die DKG schlägt zur Kompensation der 1,8 Milliarden fehlenden Euro unter anderem vor, Bürokratie und Dokumentationspflichten auszusetzen. Auch die für Psychiatrien bei Nichteinhaltung von Personalvorgaben geplanten Sanktionen sollten ausgesetzt werden, da der Fachkräftemangel kaum die Möglichkeit lasse, die Versorgung zu sichern und gleichzeitig die Richtlinien zu erfüllen.

„Wenn 1,8 Milliarden Euro eingespart werden sollen, muss dem mindestens eine gleichwertige Reduktion bei Dokumentations- und Strukturvorgaben gegenüberstehen“, sagte auch Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes (DEKV).

Statt pauschaler Einsparungen und neuen Regulierungen ist es aus Sicht des DEKV „dringend erforderlich“, die ursprünglich vorgesehene „Entbürokratisierung“ stärker in den Fokus zu rücken. Kliniken müssten demnach von bürokratischen Pflichten entlastet werden, die keine Relevanz für die Versorgung haben. Auch Personal- und Strukturvorgaben sollten nur dort gelten, wo sie zur Behandlungsqualität tatsächlich beitragen. Ein ausgewogener Ansatz ist notwendig.

„Der heutige Beschluss der Bundesregierung, das GKV-System zu entlasten und dafür im kommenden Jahr vor allem in der stationären Versorgung einzusparen, zeigt, dass sich politische Entscheidungen an Symptomen orientieren, statt die eigentlichen Ursachen anzugehen“, sagte Jens Scholz, 1. Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands.

Er betonte, wollte man mit dem kürzlich beschlossenen Rechnungszuschlag noch die Krankenhäuser stabilisieren, sei die jetzt kurzfristig verabschiedete Sparmaßnahme genau das Gegenteil und mache so „die Kosten-Erlös-Schere für Krankenhäuser wieder auf“.

Verärgert zeigten sich verschiedene Landeskrankenhausgesellschaften. „Kurz nachdem mit jahrelanger Verspätung ein einmaliger Inflationsausgleich von vier Milliarden Euro verbindlich beschlossen wurde, entzieht die Politik den Kliniken nun wieder dauerhaft fast die Hälfte dieser Summe“, kritisierte Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). Im Ergebnis werde damit die wirtschaftliche Lage deutlich schlechter. Das sei „keine vorausschauende Gesundheitspolitik“.

„Das Herabsetzen der Obergrenze auf das Niveau des diesjährigen Orientierungswertes bedeutet de facto eine reelle Unterfinanzierung, da ein personal- und sachkostengerechtes Budget deutlich über 2,98 Prozent liegen wird. Das schwächt die Versorgung genau in dem Moment, in dem sie Stabilität und Vertrauen braucht“, sagte Steffen Gramminger, Geschäftsführender Direktor der Hessischen Krankenhausgesellschaft (HKG).

Die HKG warnt davor, die geplanten Entscheidungen auf Bundesebene mit verkürzten oder falschen Vergleichen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu führen. Krankenhäuser trügen die Verantwortung für die schwersten und kostenintensivsten Behandlungsfälle, von Intensivmedizin über Notfallversorgung bis hin zu komplexen Operationen.

„Wer den Kliniken Mittel entzieht, entzieht der Versorgung die Luft zum Atmen. Das ist kein Beitrag zur Reform, sondern eine Schwächung der Strukturen, auf die sich Patientinnen und Patienten verlassen müssen,“ betonte Gramminger. „Wenn der Bund Strukturen verändern will, dann braucht es ein klares Konzept und kein finanzielles Austrocknen durch die Hintertür.“

Deutliche Worte und Unterstützung für die Kliniken kam von der CSU. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach bemängelte das Vorgehen der Bundesregierung. Sie warf Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) vor, sich „beharrlich“ zu weigern, versicherungsfremde Leistungen hinreichend aus Steuermitteln zu finanzieren – obwohl dies zum Beispiel bei Bürgergeld-Empfängern überfällig wäre.

„Stattdessen sollen jetzt die Krankenhäuser trotz ihrer ohnehin schwierigen Lage zur Kasse gebeten werden. Das ist ein großer Fehler“, sagte sie. Gerlach forderte ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept, das die Belastungen zielgerichtet und generationengerecht verteile. Kurzfristig müssten endlich deutlich höhere Bundeszuschüsse zu versicherungsfremden Leistungen gezahlt werden.

Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) betonte, es entbehre „nicht einer gewissen Komik, dass die Bundesregierung einerseits ein Sondervermögen für Krankenhäuser auf den Weg bringt, um die inflationsbedingten Kostensteigerungen der letzten Jahre auszugleichen, andererseits nun im stationären Bereich den Rotstift ansetzen möchte“.

„Sollten diese Pläne wirklich umgesetzt werden, würde sich nicht nur die wirtschaftliche Situation für die Krankenhäuser massiv verschlechtern, sondern Kliniken, die bereits jetzt unter hohem Kostendruck stehen, in ihrer Existenz bedrohen“, sagte er heute. Auch durch die Erhöhung des Landesbasisfallwerts könnten diese Verluste nicht kompensiert werden.

may/bee/dpa/afp

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