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Q&A Teil 6: Impfungen bei Autoimmunerkrankungen sowie unter Immunsuppression

  • Montag, 8. September 2025
  • Quelle: Expertensymposium Deutscher Ärzteverlag 2025

Beim jährlich stattfindenden Expertensymposium Impfen des Deutschen Ärzteverlags können die Zuschauerinnen und Zuschauer im Vorfeld der Veranstaltung und während des Livestreams eigene Fragen aus ihrem Praxisalltag stellen. In unserem Questions & Answers-Format beantworten die Expertinnen und Experten die Fragen, die im Livestream nicht beantwortet werden konnten. Teil 6 dreht sich um die Fragen zu Impfungen bei Autoimmunerkrankungen sowie unter Immunsuppression.

/Photographee.eu, stock.adobe.com
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Der Experte antwortet: Interview mit Dr. med. Mirko Steinmüller, Facharzt für Innere Medizin, Rheumatologie und Infektiologie, Burbach

Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben eine normale Reaktion auf Infektionserkrankungen, solange sie nicht mit Immunsuppressiva behandelt werden.

Wird die Autoimmunität mit Arzneimitteln gedämpft, so dämpft dies die Power des Immunsystems gegen Infektionserkrankungen. Eine erhöhte Rate an Infektionen und an schweren Infektionsverläufen ist die Folge.

Aus diesem Grund sollten alle Patientinnen und Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie, unabhängig von ihrem Alter, entsprechend den STIKO-Empfehlungen bei Erkrankungen mit Immundefizienz geimpft werden. Impfungen bauen in dieser Situation teilweise einen weniger sicheren Schutz auf als ohne Autoimmunität. Aber gerade wegen der reduzierten Immunleistung ist dieser Schutz dennoch unverzichtbar.

Lebendimpfungen sollten während einer immunsuppressiven Therapie in der Regel nicht verabreicht werden.

Die Immunität gegen Meningokokken und Haemophilus influenzae Typ B wird durch Impfungen in der Säuglings- und Kinderzeit hergestellt. Auffrischungen sind bei einigen Reisezielen erforderlich. Bei schwerer Immunsuppression, etwa nach Stammzelltransplantation, muss mit einem Verlust der durch die Säuglings- und Kinderimpfungen erworbenen Immunität gerechnet werden, so dass hier eine erneute Grundimmunisierung erforderlich wird.

Ja, eine Auffrischung des Impfschutzes ist bei dieser Konstellation sinnvoll.

Bei allen genannten Impfstoffen handelt es sich um Totimpfstoffe. Es gibt keinerlei Kontraindikationen gegen eine Impfung unter Neratanib und Trastuzumab. Im Gegenteil, alle Impfungen sollten unbedingt entsprechend den STIKO-Empfehlungen mit vollständigen Grundimmunisierungen und allen Auffrischimpfungen durchgeführt werden, Influenza und COVID-19 jährlich. Eine Verstärkung der Impfreaktionen ist nicht zu erwarten.

Unter einer laufenden, starken Immunsuppression sollte von Lebendimpfungen abgesehen werden. Wenn eine Lebendimpfung unumgänglich und indiziert ist – z.B. Masern –, muss die Immunsuppression ausreichend lange pausiert werden. Als Faustregel gilt, dass als Intervall zwischen der immunsuppressiven Medikation und der Impfung das 6-Fache der Halbwertzeit einzuhalten ist. Da diese bei einigen Medikamenten mehrere Wochen betragen kann, ist unbedingt die jeweilige Fachinformation zu beachten.

Wünschenswert wäre es, wenn bereits vor der Krebsdiagnose und dem Beginn der Krebstherapie der dem Alter entsprechende Impfschutz vollständig vorhanden wäre. Eine normale Chemotherapie beeinträchtigt eine vorher bestehende Grundimmunisierung nicht. Anders als nach Stammzelltransplantationen muss deshalb nach einer Chemotherapie die Grundimmunisierung nicht von vorn begonnen werden. Bisher nicht durchgeführte Grundimmunisierungen sollten nach Abschluss der Chemotherapie nachgeholt werden.

Dies gilt in erster Linie für Totimpfstoffe. Für das Verimpfen von Lebendimpfstoffen sollte zwischen Therapie und Impfungen eine mehrmonatige Pause vorgesehen werden, siehe oben und:

Dazu schreibt das Robert Koch-Institut (Stand 28.4.2025):

Die STIKO empfiehlt die RSV-Impfung für alle Menschen ab 75 Jahren und „für Personen zwischen 60 und 74 Jahren mit einer schweren Grunderkrankung, welche mit einem deutlich erhöhten Risiko für einen schweren RSV-Krankheitsverlauf einhergeht. Zu diesen Grunderkrankungen gehören schwere Formen von u.a. chronischen Erkrankungen der Atmungsorgane, chronischen Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen, chronischen neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen, hämato-onkologischen Erkrankungen, Diabetes mellitus mit Komplikationen sowie einer schweren angeborenen oder erworbenen Immundefizienz.

Die Bewertung des Schweregrades einer vorliegenden Grunderkrankung obliegt dabei der ärztlichen Einschätzung. Die individuelle Entscheidung zur Indikationsimpfung sollte nach Empfehlung der STIKO insbesondere unter Berücksichtigung der Schwere der Grunderkrankung und deren klinischer Relevanz getroffen werden. Die Impfindikation kann sich entweder alleine aus der Schwere einer einzelnen Grunderkrankung oder auch aus der Summe verschiedener Einzelerkrankungen ergeben. Dabei soll der Gesundheitszustand der Person unter der jeweiligen Therapie und unter den individuellen Lebensbedingungen ebenso berücksichtigt werden wie die Intensität und die Stabilität einer ggfs. vorgenommenen medikamentösen Therapie.“

Meinung des Verfassers: Ich würde die Impfung anbieten, v.a. bei multimorbiden Patientinnen und Patienten. Ob (ansonsten gesunde und sportliche) Rheumapatientinnen und -patienten mit einer niedrig-dosierten MTX Therapie geimpft werden müssen, ist aktuell sicherlich noch zu diskutieren.

Impfungen und die Herstellung einer ausreichenden Immunität vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie werden von der Ständigen Impfkommission empfohlen:

„Um einen optimalen Impferfolg zu erzielen, sollten die Impfungen im Allgemeinen möglichst 2, besser 4 Wochen vor Beginn einer immunsuppressiven Therapie abgeschlossen sein. Sollte dies aus praktischen Gründen nicht möglich sein, wird der Abschluss der Immunisierung vor Beginn der Therapie empfohlen, auch wenn dies mit kürzeren Abständen zwischen der Impfung und der immunsuppressiven Therapie einher geht [Expertenkonsens].“ Aus: Wagner N, Assmus F, et al.: Impfen bei Immundefizienz, Bundesgesundheitsbl 2019 · 62: 494–515 _DOI: 10.1007/ s00103-019-02905-1, Impfen bei Immundefizienz.

Ich habe bislang gute Erfahrungen bei einer individualisierten Anfrage an die entsprechende Krankenkasse gemacht und würde eine Ablehnung der Kostenübernahme nicht einfach so hinnehmen wollen.

Die Impfung mit einem Men-ACWY-Impfstoff ist eine Indikationsimpfung bei Immundefizienz und wird von den Krankenkassen übernommen (s. STIKO-Empfehlungen). Die Regelungen des Sprechstundenbedarfes können von KV zu KV unterschiedlich sein. Ich würde hier noch einmal nachfragen.



Interessenskonflikte Dr. med. Mirko Steinmüller:
Herr Dr. Steinmüller hat von folgenden Unternehmen Vortragshonorare und Reisekostenunterstützungen erhalten:
AbbVie, Amgen, Berlin-Chemie, BMS, Celgene, Celltrion, derCampus, Esanum, Galapagos, Gilead, GSK, Janssen, Lilly, Medac, MSD, Mylan, Novartis, Pfizer, Streamed-Up, ViiV

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