117. Deutscher Ärztetag: Qualitätsinstitut, Facharzttermine und europäische Normung in der Diskussion
Düsseldorf - Beim 117. Deutschen Ärztetag in Düsseldorf diskutierten die 250 Delegierten unter dem Tagesordnungspunkt I Gesundheits-, Sozial- und ärztliche Berufspolitik unter anderem über die von der Bundesregierung angekündigte Qualitätsinitiative und das in diesem Kontext geplante Institut für Qualität.

Bernhard Rochell, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer wies einleitend darauf hin, dass die Diskussion um mehr Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung auch die Bewertungsportale für Ärzte und Krankenhäuser betreffe. Auch mit diesen solle sich das neue Qualitätsinstitut befassen.
„Patienten, die sich über die beste Adresse für die Behandlung ihrer Erkrankung informieren wollten, erhalten mittlerweile von einer Vielzahl solcher Portale eine Vielzahl von Antworten“, sagte Rochell.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2013 hätte aber auch auf die Schattenseiten solcher Navigationssysteme zur vermeintlich besten Behandlungsqualität hingewiesen. Ein Vergleich mehrerer Portale, darunter die Weisse Liste und Qualitätskliniken.de, hatte danach ergeben, dass die Bewertungen für dieselben Krankenhäuser zur Hüftendoprothetik sehr unterschiedlich ausfallen und der ratsuchende Patient für dasselbe Krankenhaus im Portal A eine völlig andere Bewertung als im Portal B finden kann. „Das darf so nicht weitergehen“, betonte Rochell.
Es sei daher unverzichtbar, vor der Produktion von Qualitätsnavigatoren erst das Qualitätskoordinatensystem zu erarbeiten, in dem dann nach allgemeiner Übereinkunft das Ziel einer guten Behandlungsqualität und die Stellgrößen für die Zielerreichung verortet werden könnten. „Ein solches Koordinatensystem tut not, und es wäre gut, wenn das neue Qualitätsinstitut hierfür seriöse Standards schaffen könnte“, betonte Rochell.
Das Wort „Qualität“ tauche 30mal im Koalitionsvertrag auf, meinte Wulf Dietrich, Landesärztekammer Bayern. Zu fragen sei jedoch: „Wie werden wir Ärzte am neuen Institut beteiligt?“ Auch sei der Begriff Qualität zu problematisieren. Vor allem die Outcome-Qualität sei schwierig zu messen. „Darüber wissen wir fast gar nichts. Das ist es aber, was den Patienten interessiert“, meinte Dietrich.
Qualitätsinstitut: Ärzte müssen frühzeitig einbezogen werden
Ulrich M. Clever, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer, wies ebenfalls auf Risiken hin, die für die Ärzte mit dem Institut verbunden sein könnten: „In der Gefahr der Aussperrung nicht messbarer Fähigkeiten von uns Ärzten liegt auch eine Ausgrenzung der Vielfalt von Möglichkeiten.“ Wenn die Messbarkeit im Qualitätsinstitut an der ersten Stelle stehe, bleibe die sprechende Medizin möglicherweise auf der Strecke. „Damit das Qualitätsinstitut nicht zum 'Quälinstitut' für uns Ärzte wird, müssen wir dafür sorgen, dass wir Ärzte frühzeitig einbezogen werden.“
„Expressüberweisung“ in der Diskussion
Auch das Thema Wartezeitenregelung beschäftigte die Delegierten. Diskutiert wurde, ob eine sogenannte „Expressüberweisung“ als eine Unterkategorie der vertragsärztlichen Überweisung zielführend ist. Angelika Haus, Ärztekammer Nordrhein, sprach sich dagegen aus, in Hausarztpraxen die Patienten nach dringlich oder gar nicht dringlich einzuteilen. Dies führe zu „unwürdigen“ Diskussionen mit den Patienten, die dafür kein Verständnis hätten, so Hauser.
Jens Schweizer, Niedersachsen, geht davon aus, dass Patienten bei einem Facharzt bis zu 20 Termine pro Woche gar nicht erst wahrnehmen. Durch die Nichteinhaltung der Termine entstehe den Praxen ein wirtschaftlicher Schaden: „Da frage ich mich, wo das Problem vonseiten der Politik eigentlich liegt“, sagte Jens.
„Europäisierung“ der Medizin droht
Etliche Delegierte warnten vor einer „Europäisierung“ der Medizin. Eine Normierung der Gesundheitsversorgung durch die Europäische Union, insbesondere durch das europäische Normungsinstituts CEN, lehnt die Bundesärztekammer in ihrem Leitantrag ab. Die EU mische sich in Dinge an, die sie nichts angingen, so Christian von Ascheraden, Ärztekammer Baden Württemberg.
Dass Europa immer weiter im negativen Sinne auf die Ärzteschaft zukomme, dieser Ansicht war auch Christian Albring, Niedersachsen. Europa wolle beispielsweise, dass Deutschland, wie in England üblich, die „Pille danach“ freigibt. In England werde eine fünfmal höhere Abgabe des Medikaments als in Deutschland verzeichnet, aber auch eine fünfmal höhere Abtreibungsrate, so Albring.
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