Ärzte warnen vor ausufernden Arzneimittelkosten

Hamburg – Der 119. Deutsche Ärztetag warnt angesichts stetig steigender Arzneimittelpreise vor einer finanziellen Überforderung des Gesundheitssystems. Die Einsparerwartungen an das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) von 2011 hätten sich nicht erfüllt, heißt es in einem Beschluss. Das angestrebte Einsparziel von 2,4 Milliarden Euro werde bei Weitem nicht erreicht. Zugleich stiegen die Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung jährlich um vier bis fünf Prozent. Bei einigen Arzneimitteln, vor allem in der Onkologie, lägen die Therapiekosten pro Patient bei 80.000 Euro oder mehr im Jahr.
Das Ärzteparlament forderte deshalb den Gesetzgeber auf, die Grundlagen für die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel im Rahmen des AMNOG an die Kostenentwicklung anzupassen. Die Arzneimittelpreise müssten sich am evidenzbasierten Nachweis des patientenrelevanten Nutzens orientieren und den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Zusatznutzen folgen.
„Die derzeit freie, ausschließlich am Markt orientierte Preisfestlegung für Arzneimittel im ersten Jahr nach der Markteinführung durch den pharmazeutischen Unternehmer muss abgeschafft werden“, heißt es in dem Beschluss. Ansonsten sei die ausreichende und gerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten mit Arzneimitteln gefährdet. Darüber hinaus fordert der Ärztetag, Ärztinnen und Ärzte zeitnah in verständlicher Form über die Ergebnisse der Nutzenbewertung zu informieren, damit sie diese bei Therapieentscheidungen einbeziehen könnten. Marktrücknahmen der Pharmaunternehmen aus marktwirtschaftlichen Gründen sowie Lieferengpässen müsse der Gesetzgeber entgegenwirken.
Arzneimittelpreise orientieren sich nicht am Nutzen
Vor der Abstimmung hatte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Wolf-Dieter Ludwig, die Preispolitik der Pharmaindustrie scharf kritisiert. Die Preise für Arzneimittel seien nicht am Zusatznutzen orientiert. Sie orientierten sich einzig daran, was der Markt bereit sei zu zahlen, erklärte er. Selbst Präparate mit nur marginalem Nutzen kosteten oft Tausende Euro. Ludwig plädierte dafür, bestehende Instrumente für eine rationalere Arzneimitteltherapie besser zu nutzen. Dazu zählte er Therapiehinweise, die Veranlassung von Kosten-Nutzen-Bewertungen und eine Verbesserung der Versorgungsforschung.
Die Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa), Birgit Fischer, kritisierte dagegen die Anfälligkeit der Ärzteschaft für negative Botschaften. Der Vorwurf, die Pharmaindustrie kalkuliere Mondpreise, treffe nicht zu. Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung sei seit Jahren stabil, erklärte Fischer. Die Sicht auf Innovationen als Kostentreiber verdränge die Begeisterung für neue Therapieoptionen, kritisierte die vfa-Geschäftsführerin: „Dabei versprechen Innovationen medizinischen Fortschritt, der langfristig sogar Kosten sparen kann.“
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