Politik

G20-Gesundheits­minister proben globales Planspiel für Katastrophenfall

  • Freitag, 19. Mai 2017
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht neben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) beim G20-Gesundheitsministertreffen in Berlin mit der neuen französischen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn (r.). Dahinter: US-Gesundheitsminister Tom Price (3.v.l.). /dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht neben Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) beim G20-Gesundheitsministertreffen in Berlin mit der neuen französischen Gesundheitsministerin Agnès Buzyn (r.). Dahinter: US-Gesundheitsminister Tom Price (3.v.l.). /dpa

Berlin – Die Gesundheitsminister der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) sind überzeugt, dass eine neue Gesundheitskrise kommen wird, auch wenn man den Zeitpunkt noch nicht kennt. Um sich gemeinsam darauf vorzubereiten, treffen sie sich heute und morgen erstmals zu einem Gesundheitsgipfel in Berlin.

„Gefährliche Krankheiten und Keime, gegen die Antibiotika wirkungslos sind, machen nicht an Landesgrenzen halt. Sie verursachen unsägliches menschliches Leid. Und sie können die soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklung von Ländern dramatisch zurückwerfen“, betonte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe heute zur Eröff­nung des G20-Gesundheitsministertreffens in Berlin. Das erste Treffen dieser Art sei ein wichtiger Meilenstein für die globale Gesundheit. „Denn die G20 vertreten zwei Drittel der Weltbevölkerung und drei Viertel des Welthandels. Nur gemeinsam können wir weltweiten Gesundheitskrisen die Stirn bieten.“

Auf die Agenda zunächst der G7 und der G20 gebracht hatte das Thema „Globale Gesundheit“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Für sie hat die globale Gesundheit offensichtlich allergrößte Bedeutung, denn sie nahm an dem heutigen Gesundheits­ministertreffen teil – und damit an dem einzigen Ministertreffen im Rahmen des G20-Gipfels, wie sie in Berlin betonte. Als essenziell sieht Merkel an, die nationalen Gesundheitssysteme zu stärken sowie international reaktionsfähig für Notfälle gerüstet zu sein. Medizinisches Personal, Material, mobile Labore müssten bei einer Krise rasch zur Stelle sein. Dazu benötige man ausreichend finanzielle Mittel und eine gute Koordination durch die Weltgesundheitsorganisation.

Margaret Chan, Generalsekretärin der Weltgesundheitsorganisation WHO. /dpa
Margaret Chan, Generalsekretärin der Weltgesundheitsorga­nisa­tion WHO. /dpa

Die Generaldirektion der Weltgesundheitsorganisa­tion (WHO) Margaret Chan, die ebenfalls am G20-Gesund­heitsministertreffen heute und morgen in Berlin teilnimmt, verwies in ihrer Rede auf die Lehren, die man aus der Ebolakrise gezogen habe. Gleichzeitig dankte sie Merkel, dass sie das Thema „Globale Gesundheit“ auf die internationale Agenda gesetzt habe.

Morgen wollen die G20-Gesundheitsminister eine gemeinsame Erklärung verab­schieden, die durch die sogenannte Health Working Group, die Ende Februar zu einer dreitägigen Konferenz zusammengekommen war, vorbereitet wurde. Diskutiert werden sollen die globalen Gesundheitsthemen auch auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G20 im Juli in Hamburg.

Mehrfach wies Gröhe bereits auf die globale Dimension hin: Die Welt sei noch nicht ausreichend auf den Ausbruch von gefährlichen Krankheiten vorbereitet – das habe Ebola gezeigt, sagte der Bundesminister beispielsweise einige Tage vor dem Treffen im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt. Bei dem Gesundheitsgipfel unter dem Motto „Together Today for a Healthy Tomorrow – Joint Commitment for Shaping Global Health“ wird er daher an beiden Tagen eine Krisenübung mit seinen Amtskollegen und Vertretern von Weltbank und Weltgesundheitsorganisation veranstalten.

Realitätsnahe Übung

Das Szenario der realitätsnahen Übung hat Deutschland als Gastgeberland der G20 entwickelt: In „Anycountry“, einem modellhaften Land mit geringen Einkommen, bricht eine tödliche Krankheit aus, die sich über die Atemwege überträgt und droht, sich weltweit auszubreiten. Vor diesem Hintergrund sollen die Informationsflüsse und Entscheidungswege zwischen den Staaten und auch der WHO auf den Prüfstand gestellt werden. Dabei gilt es, folgende Fragen zu beantworten: Wie kann sicher­gestellt werden, dass gefährliche Krankheitsausbrüche durch die betroffenen Staaten zeitnah gemeldet werden? Wie kann die internationale Hilfe zügiger bereitgestellt werden? Was können die G20 tun, um globale Gesundheitskrisen schnell einzu­dämmen? Und wie kann die Weltgesundheitsorganisation gestärkt werden?

Deutschland setzt sich für eine weitere Stärkung der WHO ein. Denn die WHO hat eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, globale Gesundheitskrisen zu bewältigen. Hierfür dient auch der im Jahr 2015 eingerichtete Krisenfonds (CFE, Contingency Fund for Emergencies), den Deutschland als größter Beitragszahler mit 13 Millionen Dollar unterstützt. Zudem wird es 2017 erstmals einen eigenen Beitrag aus dem Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit in Höhe von 35 Millionen Euro als freiwilligen zusätzlichen Beitrag für die WHO geben. Darüber hinaus unterstützt das Bundesge­sund­heitsministerium im Rahmen des Global Health Programms mit Experten in Krisensituationen vor Ort und gibt Hilfestellung bei der Vorbeugung von Krankheits­ausbrüchen.

Aktueller DART-Zwischenbericht

Ein weiteres Thema der G20-Gesundheitsministerkonferenz wird morgen die Bekämp­fung von Antibiotikaresistenzen sein, die Industrienationen und Entwicklungsländer gleichermaßen betreffen. „Eine der wichtigsten Maßnahmen sind Nationale Aktions­pläne zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen, wie sie auch im Globalen Aktions­plan der WHO zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen gefordert werden“, sagte Gröhe. Mit der Deutschen Antibiotika Resistenzstrategie (DART) nehme Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Mit rund vier Millionen Euro fördere das Bundesministerium für Gesundheit Projekte im Bereich Antibiotikaresistenzen. 2015 wurde unter deutschem G7-Vorsitz die „Berliner Erklärung zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen“ verabschiedet. Im Rahmen des G20-Gesundheitsministertreffens wird auch ein Zwischenbericht zum Stand der deutschen Anstrengungen vorgelegt, der zeigt, dass bereits einiges hierzulande erreicht werden konnte.

Die Gesundheitsminister aus den G20-Staaten und Vertreter internationaler Organisationen beraten zwei Tage über globale Gesundheitsthemen in Berlin. /dpa
Die Gesundheitsminister aus den G20-Staaten und Vertreter internationaler Organisationen beraten zwei Tage über globale Gesundheitsthemen in Berlin. /dpa

Ein Schwerpunkt der weiteren Umsetzungs­maßnahmen der DART soll dem Bericht zufolge bis 2020 im ambulanten Bereich liegen, da dort rund 85 Prozent der Antibiotika
verordnet werden. Die Ergebnisse der laufenden Forschungsvorhaben zu Maßnahmen, die geeignet sind, die Antibiotika­verord­nungen im ambulanten Bereich zu senken, hätten daher besondere Bedeutung. Die bislang gewonnenen Erkenntnisse aus diesen und weiteren Forschungsprojekten sollen dazu beitragen, die Maßnahmen von DART 2020 zielgenau weiterzuentwickeln.

In der Tiermedizin soll es darum gehen, das Bewusstsein aller Beteiligten für die mit einer unangemessenen Anwendung von Antibiotika verbundenen Gefahren weiter zu schärfen. Hygienische Maßnahmen in den tierhaltenden Betrieben sowie bei der Lebensmittelgewinnung und Verarbeitung sollen stärker in den Fokus gerückt werden. Geplant sind hierzu nicht nur Aufklärungskampagnen und Berücksichtigung der Thematik in Aus-, Fort- und Weiterbildung von tierärztlichem Personal und Tierhaltern, sondern auch die Auswertung der Monitoring- und Surveillance-Daten. Der ziel­gerich­tete Einsatz von Impfstoffen, einschließlich stallspezifischer Impfstoffe, wird durch die Arbeiten der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin beim Friedrich-Loeffler-Institut bewertet.

ER

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