Politik

Barmer GEK Arztreport: Eine „Generation ADHS“ wächst heran

  • Dienstag, 29. Januar 2013
Uploaded: 29.01.2013 14:07:48 by mis
dpa

Berlin – Zappelphilippe gibt es offenbar immer häufiger. Zumindest  diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte in Deutschland bei immer mehr Kindern und Jugendlichen Aufmerk­samkeits- und Hyperaktivitätsstörungen (ADHS).  Dem Arztreport 2013 der Barmer GEK zufolge stieg die Zahl diagnostizierter Fälle zwischen 2006 und 2011 um 42 Prozent, und zwar von 2,92 auf 4,14 Prozent der unter 19-Jährigen. In dieser Altersgruppe erhielten 2011 472.000 Jungen und 149.000 Mädchen die Diagnose ADHS.

Uploaded: 29.01.2013 14:08:21 by mis
Zuwachs in allen Altersstufen

In der bundesweiten Verlaufsbetrachtung erhöht sich der Anteil noch einmal: So waren fast 20 Prozent aller Jungen, die im Jahr 2000 geboren wurden, zwischen 2006 und 2011 von einer ADHS-Diagnose betroffen. Bei den Mädchen dieses Jahrgangs waren es 7,8 Prozent „ADHS-Kinder“.

Gleichfalls hoch sind dem Report zufolge die Verordnungsraten von Ritalin (Methyl­phenidat). So wurde im Jahr 2011 das Medikament an rund 336.000 Personen verschrieben. Die höchsten Verordnungsraten finden sich bei Kindern im Alter von elf Jahren. In diesem Alter erhielten 2011 rund sieben Prozent der Jungen und zwei Prozent der Mädchen das Medikament. Im Laufe der Kindheit und Jugend dürften damit schätzungsweise 10 Prozent aller Jungen und 3,5 Prozent aller Mädchen mindestens einmal Methylphenidat erhalten.

Uploaded: 29.01.2013 14:08:49 by mis
Ritalin-Verordnungen nehmen zu

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, zeigte sich besorgt über diese Entwicklung. „Dieser Anstieg erscheint inflationär. Wir müssen aufpassen, dass ADHS-Diagnostik nicht aus dem Ruder läuft und wir eine ADHS-Generation fabrizieren“, betonte Schlenker. Pillen gegen Erziehungsprobleme seien der falsche Weg: Ritalin dürfe nicht per se das Mittel der ersten Wahl sein. Stattdessen komme es auf „trennscharfe Diagnosen“ an.

Elternabhängige Ursachen festgestellt
Besonders hohe Diagnoseraten sind zum Ende des Grundschulalters vor dem Übergang auf weiterführende Schulen zu verzeichnen, berichteten die Reportautoren Thomas G. Grobe und Friedrich W. Schwartz vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) in Hannover. Dies könne unter anderem auch die Erwartungshaltungen und den Druck der Eltern widerspiegeln, vermuten sie.

Die Wissenschaftler aus Hannover konnten nämlich erstmals elternabhängige Ursachen ausmachen: Demnach sinkt mit steigendem Ausbildungsniveau der Eltern das Risiko der Kinder für ADHS. Kinder arbeitsloser Eltern sind häufiger von der Störung betroffen, ADHS wird bei Kindern von Gutverdienern tendenziell seltener diagnostiziert. Auch gibt es Hinweise darauf, dass Kinder jüngerer Eltern ein höheres Risiko haben als diejenigen von Eltern mittleren Alters. „Ob das an einer größeren Gelassenheit von Eltern im fortgeschrittenen Alter liegt oder an Erziehungsproblemen jüngerer, bleibt offen“, erläuterte Schlenker.

Große regionale Unterschiede
Auffällig für die Krankenkasse sind auch die regionalen Unterschiede. Welt-ADHS-Hauptstadt sei Würzburg, sagte Schlenker. Während die ADHS-Diagnoserate bei Jungen im Alter von zehn bis zwölf Jahren im Jahr 2011 im Bundesdurchschnitt bei knapp 12 Prozent lag, haben Ärzte in Unterfranken diese Diagnose bei 18,8 Prozent der Jungen dieser Altersgruppe gestellt. Bei Mädchen waren es bundesdurchschnittlich circa 4 Prozent gegenüber 8,8 Prozent in Unterfranken.

Uploaded: 29.01.2013 14:09:19 by mis
Große regionale Unterschiede

Der Arztreport untersucht zudem die generelle ambulante ärztliche Versorgung in Deutschland untersucht. Demnach wurden im Jahr 2011 pro Versichertem 8,23 Behandlungsfälle festgestellt. In nächster Zukunft müsse man beobachten, wie sich der Wegfall der Praxisgebühr auf die Inanspruchnahme der Fachärzte auswirken wird, sagte Schlenker. Genaue Daten erwarte er allerdings erst im Jahr 2014.

ER

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