Medizin

Studien: Bivalente Booster haben begrenzte Wirkung gegen BA.4/5

  • Montag, 16. Januar 2023
/hercher, stock.adobe.com
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New York und Boston – Die Schutzwirkung der bivalenten Booster gegen die Omikron-Subvarianten BA.4/5 ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Nach 2 Laborstudien, die jetzt im New England Journal of Medicine (NEJM 2023; DOI: 10.1056/NEJMc2213948 und 10.1056/NEJMc2213907) publiziert wurden, erzielt ein biva­lenter Booster zwar etwas höhere Antikörper-Titer als ein monovalenter Booster.

Ein Vorteil für die T-Zell-Antwort war dagegen nicht nachweisbar. Beide Impfstoffe verstärkten in erster Linie die Abwehrkräfte gegen den Wildtyp, was auf eine immunologische Prägung („Immune imprinting“) zurückzuführen sein könnte.

Die bivalenten Impfstoffe von Biontech und Moderna, die eine Komponente gegen die Subvarianten BA.4 und BA.5 haben, wurden in den USA und in Europa Anfang September letzten Jahres eingeführt, um die Bevölkerung vor der befürchteten Winterwelle zu schützen.

Auf eine ausführliche klinische Prüfung wurde verzichtet, da es keine Zweifel an der Sicherheit gab (was sich in der Folge auch bestätigen sollte). Und ein zusätzlicher Schutz vor BA.4/5 erschien biologisch plausibel zu sein. Schließlich war der Impfstoff entwickelt worden, um Omikron und seine Subvarianten zu neutralisieren und dadurch Durchbruchinfektionen zu verhindern, deren Zahl in der Omikron-Welle stark angestiegen ist.

Die von einem Team um David Ho von der Columbia University in New York bereits am 24. Oktober in bioRxiv (2022; DOI: 10.1101/2022.10.22.513349) vorgestellten und jetzt im NEJM abschließend publizierten Laborergebnisse zeigen jedoch, dass die Rechnung nicht ganz aufgeht.

Ho hatte die Seren von Personen untersucht, die entweder genesen waren oder bereits 3 oder 4 Dosen eines monovalenten mRNA-Impfstoffs erhalten hatten. Eine vierte Gruppe hatte 3 Dosen eines monovalenten Impfstoffes plus eine 4. Dosis mit dem bivalenten Impfstoff von Biontech oder Moderna erhalten. Die Erwartung war, dass diese 4. Dosis die neutralisierende Wirkung verstärken würde.

Dies war aber nicht unbedingt der Fall. Die neutralisierende Wirkung gegen BA.4/5 fiel nach 3 monovalenten Dosen plus 1 bivalenten Booster nur unwesentlich stärker aus als nach 4 monovalenten Dosen. Sie war aber deutlich schwächer als gegen den Wildtyp D614G – und dies obwohl eine der beiden Komponenten auf BA.4/5 zielte.

Dieses Phänomen lässt sich durch eine immunologische Prägung erklären. Zu ihr kommt es, weil nach einer ers­ten Infektion oder Impfung Gedächtniszellen entstehen. Sie veranlassen bei einer erneuten Infektion/Impfung die Bildung von Antikörpern gegen die bereits bekannten Epitope des ursprünglichen Erregers. Wenn sich dieser leicht verändert hat, werden die neuen Epitope mehr oder weniger ignoriert. Dies kann die Immunität unter­graben und das Risiko von Durchbruchinfektionen fördern.

Ähnliche Ergebnisse stellte einen Tag später ein Team um Dan Barouch vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston in bioRxiv (2023; DOI: 10.1101/2022.10.24.513619) vor, die jetzt ebenfalls im NEJM publiziert wurden. Die Forscher verglichen die Immunantwort von Personen, die nach der Grundimmunisierung (und eventuell auch einer Boosterung) ein weiteres Mal geimpft wurden.

Dabei wurde entweder ein monovalenter oder ein bivalenter Impfstoff eingesetzt. Der Antikörper-Titer gegen BA.5 stieg zwar unter der bivalenten Boosterung etwas stärker an als nach der Verwendung des monovalenten Boosters.

Bei der T-Zell-Antwort, dem zweiten Arm der adaptiven Immunabwehr, konnte Barouch keinen Vorteil der biva­lenten Boosterung gegenüber der monovalenten Impfung erkennen. Auch in dieser Studie war die Immunant­wort gegen den Wildtyp von SARS-CoV-2 am stärksten, was auch Barouch mit einem „Immune imprinting“ erklärt.

rme

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