Ausland

Neues Gesetz ermöglicht Arzneimittel­zulassung in den USA ohne Tierversuche

  • Dienstag, 17. Januar 2023
/JHVEPhoto, stock.adobe.com
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Silver Spring – Neue Medikamente müssen nicht mehr im Tierversuch getestet werden, um von der US-Arz­neimittelbehörde (FDA) zugelassen zu werden. Ein entsprechendes Gesetz hat Präsident Joe Biden Ende Dezember des vergangenen Jahres unterzeichnet. Inwieweit das neue Gesetz bei der FDA tatsächlich eine Trendwende einleiten wird, bleibt unklar. Denn das Gesetz bietet zwar neue Möglichkeiten, verbietet Tier­versuche aber nicht.

Der Gesetzesentwurf lag bereits seit April 2021 vor. Der republikanische Senator für Kentucky, Rand Paul, und der demokratische Senator für New Jersey Cory Booker, die sich beide gegen Tierforschung ausgesprochen haben, brachten die Änderungen ein, die der Senat im September 2022 einstimmig verabschiedet hatte.

Bisher waren Pharmaunternehmen gesetzlich verpflichtet, die Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Medikamen­ten­kandidaten in mehreren Versuchsreihen an mindestens zwei Tierarten zu testen, bevor sie in klinischen Studien beim Menschen erprobt werden durften. Das neue Gesetz ermöglicht zukünftig Methoden, wie etwa menschliche Miniorgane (Organoide), Multiorganchips und computerbasierte Verfahren anstelle von Tier­versuchen für regulatorische Zwecke zu verwenden.

Forschungsbefürworter Jim Newman, Kommunikationsdirektor bei Americans for Medical Progress, die sich für die Tierforschung einsetzen, ist überzeugt, dass die FDA weiterhin einen enormen Ermessensspielraum habe, um Tierversuche vorzuschreiben. Er rechnet nicht damit, dass die Behörde in absehbarer Zeit ihren Kurs än­dern wird, heißt es in einem Beitrag von Science. Die Autorin berichtet zudem, dass die Toxikologen der FDA bekanntermaßen konservativ seien und Tierversuche bevorzugen würden.

Die FDA befürworte den Versuch, von Tierversuchen wegzukommen, sagte Namandjé Bumpus, leitende Wis­senschaftlerin der FDA. Einschränkend fügte sie jedoch hinzu, dass nur alternative Methoden unterstützt wer­den würden, die wissenschaftlich untermauert seien und die zeigen würden, ob Produkte sicher und wirksam seien. Die Behörde habe fünf Millionen Dollar erhalten, um ein FDA-weites Programm zur Entwicklung von Me­tho­den zu starten, die Tierversuche ersetzen, reduzieren und verfeinern sollen.

Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche äußerte sich erfreut: Trotz der bestehenden Möglichkeit, Tierversuche einzusetzen, sei es ein riesiger Fortschritt, dass die Pharmaunternehmen nicht mehr gesetzlich gezwungen werden, Tierversuche durchzuführen.

„Durchschnittlich 92 Prozent der Medikamentenkandidaten, die alle Tierversuche erfolgreich durchlaufen haben, werden später während der klinischen Studien an Menschen aussortiert,“ sagte Dilyana Filipova, Wis­senschaft­lerin bei Ärzte gegen Tierversuche. Vor allem, weil sie nicht wirken oder erhebliche Neben­wir­kun­gen hervor­rufen würden.

In Europa beurteilt die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) Arzneimittel, bevor sie für den europäischen Markt zugelassen werden. Hier sind Tierversuche weiterhin vorgeschrieben.

In der Arzneimittelprüfricht­lini­en-Verordnung wird auf die Richtlinie 2003/63/EG verwiesen: „Im Vorfeld von klinischen Prüfungen müssen stets geeignete pharmakologische und toxikologische Tests stattfinden, die entsprechend den Anforderungen von Modul 4 dieses Anhangs an Tieren durchzuführen sind.“

In Deutschland liege der Anteil der regulatorischen Tierversuche bei rund 17 Prozent, erläuterte der Verein Ärzte gegen Tierversuche. Sie fordern von der EU Kommission, umgehend einen Ausstiegsplan aus dem Sys­tem Tierversuch zu etablieren.

Welche Auswirkungen das neue Gesetz auf die Zulassung von Arzneimitteln in Europa haben könnte, ist noch unklar. Eine Anfrage des Deutschen Ärzteblattes bei der EMA blieb bisher unbeantwortet.

gie

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