Vermischtes

Charité hält Vergiftung von Pussy-Riot-Mann für sehr wahrscheinlich

  • Dienstag, 18. September 2018
Pjotr Wersilow nach seiner Ankunft mit einem Ambulanzflug auf dem Flughafen Schönefeld /dpa
Pjotr Wersilow nach seiner Ankunft mit einem Ambulanzflug auf dem Flughafen Schönefeld /dpa

Berlin – Der Pussy-Riot-Aktivist Pjotr Wersilow ist nach Angaben seiner Ärzte in Berlin mit hoher Wahrscheinlichkeit vergiftet worden. Aufgrund der Angaben seiner Familie und der Ärzte in Moskau bestehe eine „hohe Plausibilität“, dass „eine Vergiftung statt­gefunden hat“, sagte heute der Direktor der Klinik für Nephrologie und Intensivmedizin der Charité, Kai-Uwe Eckardt. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, „dass eine andere Erklärung vorliegen könnte für den Zustand, in dem er sich befindet.“

Wersilow benötige weiterhin „eine intensive medizinische Betreuung“, sagte Eckardt. Der 30-Jährige schwebe aber nicht in Lebensgefahr, „der kritische Zustand hat sich deutlich gebessert“. Wersilow leide unter einem sogenannten anticholinergen Syndrom, das eine „Überaktivierung des vegetativen Nervensystems“ hervorrufe. Dies führe zu geweiteten Pupillen, hohem Blutdruck, trockener Haut, trockenen Schleim­häuten und einer erhöhten Temperatur.

„Alle diese Symptome sind letztlich hier bei dem Patienten nachweisbar gewesen und zum Teil in abgeschwächter Form auch jetzt noch nachweisbar“, sagte Eckard. Es gebe Hinweise auf die Substanzklasse, die dieses Krankheitsbild hervorgerufen haben könnte. Es liege aber „keinerlei Nachweis“ einer konkreten toxischen Substanz vor.

Eine Vielzahl an Wirkstoffen kommt in Betracht

Es gebe „eine unglaubliche Vielzahl an Substanzen, die letztlich zu diesem Bild führen können“, erläuterte Eckardt. Seit dem Auftreten der ersten Symptome sei knapp eine Woche vergangen. „Damit sind die Chancen, da noch etwas nachzuweisen, auch von vornherein nicht besonders hoch“, betonte Eckardt. Es komme eine Vielzahl von Wirkstoffen infrage, die in Medikamente und Pflanzen vorkämen, aber auch für Drogen verwendet würden.

Es gebe aber keinerlei Hinweise darauf, dass „Drogen im Spiel sind“, sagte Charité-Vorstandschef Karl Max Einhäupl. Eckardt äußerte sich „sehr zuversichtlich“, dass sich Wersilows Zustand weiter bessern werde und er vollständig geheilt werden könne.

Wersilow am Sonntag mit Vergiftungserscheinungen eingeliefert

Nach Krankenhausangaben war der Pussy-Riot-Aktivist am Sonntagmorgen „mit Vergiftungserscheinungen und anhaltendem Verwirrtheitszustand“ in die Charité eingeliefert worden. Das Mitglied der russischen Protestband war am Dienstag vergangener Woche zunächst in ein Moskauer Krankenhaus gebracht worden. Am Samstagabend traf Wersilow mit einem Ambulanzflieger in Berlin-Schönefeld ein und wurde anschließend in die Charité gebracht.

Seine Lebensgefährtin Veronika Nikulschina hatte zunächst berichtet, Wersilow habe sein Seh- und Sprechvermögen verloren und leide an Halluzinationen. Später verbesserte sich sein Zustand nach ihren Angaben leicht.

Der Fall erinnert an die Affäre Skripal: Der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank in der südenglischen Kleinstadt Salisbury entdeckt worden. Auf sie war ein Attentat mit einem chemischen Kampfstoff verübt worden. Beide überlebten nur knapp und leben heute an einem geheimen Ort. Der Fall löste eine schwere diplomatische Krise aus.

afp

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