Medizin

HIV-Therapie: Intramuskuläres Depot ebenso wirksam wie tägliche Tabletten

  • Montag, 24. Juli 2017
Injektion oder Tabletten /5ph, stock.adobe.com
Monatliche Injektion statt tägliche Einnahme von Tabletten könnte HIV-Patienten die Therapie erleichtern. (Schmuckbild) /5ph, stock.adobe.com

Research Triangle Park/North Carolina – Monatliche intramuskuläre Injektionen eines Depotpräparats könnten für HIV-Patienten zu einer Alternative für die tägliche Ein­nahme von Tabletten zur antiretroviralen Therapie werden. Die Kombination aus Cabo­te­gravir und Rilpivirin hat sich in einer Phase-2-Studie als sicher und effektiv erwie­sen, während ein zweimonatiges Intervall zu lang sein könnte. Die Studienergebnisse wurden auf einer Fachtagung der International Aids Society in Paris vorgestellt und im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)31917-7) publiziert. Die neue Strategie wird derzeit in einer Phase-3-Studie untersucht.

Die HIV-Behandlung erfolgt derzeit durch die Kombination mehrerer antiretroviraler Wirkstoffe, die oral verfügbar sind, die jedoch relativ schnell vom Körper abgebaut oder ausgeschieden werden. Die Patienten müssen die Wirkstoffe deshalb täglich einneh­men, um eine dauerhafte Virussuppression zu erzielen. Jede Einnahmepause führt nach kurzer Zeit zum Virus-Rebound. Monatliche Injektionen eines Depot-Präparates könn­ten für viele Patienten mit Adhärenz-Problemen eine willkommene Alternative sein.

Die Hersteller ViiV Healthcare (eine Tochter von GSK) und Janssen haben für ihre Wirk­stoffe Cabotegravir und Rilpivirin für die intramuskuläre Injektion geeignete Formulie­run­gen entwickelt. Cabotegravir ist ein noch nicht zugelassener Integrase-Inhibitor. Der nicht nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) wurde 2012 in Tablettenform zugelassen. Die intramuskuläre Formulierung besteht aus Nanoparti­keln, die die beiden Wirkstoffe verzögert freisetzen. Cabotegravir hat beispielsweise eine Halbwertzeit von 21 bis 50 Tagen. Beide Wirkstoffe haben in den Formulierungen nach intramuskulärer Injektion in Phase-1-Studien Serumkonzentrationen erzielt, die monatliche oder sogar zweimonatliche Dosisintervalle ermöglichen könnten. 

Die Studie LATTE-2 liefert jetzt erste Informationen über die antiretrovirale Effektivi­tät. An der Studie nahmen 309 nicht vorbehandelte Patienten mit HIV-Infektion (mehr als 1.000 RNA-Kopien/ml) und weitgehend erhaltener Immunfunktion (CD4-Zellzahl über 200 Zellen/mm3) teil. Alle Patienten nahmen zunächst über 18 Wochen täglich Tabletten mit Cabotegravir plus Abacavir-Lamivudin ein. Insgesamt 21 Patienten brachen die Studie während dieser Induktionsphase ab, darunter drei wegen Neben­wirkungen und fünf wegen einer nicht ausreichenden Wirkung.

Die übrigen 286 Teilnehmer wurden auf die intramuskuläre Injektion von Cabotegravir plus Rilpivirin in 4-Wochen-Intervallen (115 Patienten) oder in 8-Wochen-Intervallen (115 Patienten) oder auf ein Fortsetzung der oralen Therapie mit Cabotegravir plus Abacavir-Lamivudin randomisiert. Die Studie war nicht verblindet (keine intra­musku­lären Placebo-Injektionen). 

Injektion im 4-Wochen Rhythmus besser als 8-Wochen Intervall

Das Ziel war der Nachweis einer Non-Inferiorität bei einer Kontrolle nach 32 Wochen. Es wurde erreicht: In der 4-Wochen-Gruppe haben 108 von 115 Patienten eine Virus­suppression erzielt. In der 8-Wochen-Gruppe waren es 109 von 115 Patienten (95 Prozent) gegenüber 51 von 56 Patienten (91 Prozent) unter der oralen Weiter­behand­lung. 

David Margolis vom Hersteller ViiV Healthcare, Research Triangle Park/North Carolina, und Mitarbeiter ermitteln eine Differenz der 4-Wochen-Gruppe zur oralen Therapie von 2,8 Prozent mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von minus 5,8 bis 11,5 Prozent. Die Differenz der 8-Wochen-Gruppe betrug 3,7 Prozent (minus 4,8 bis 12,2). Die 95-Prozent-Konfidenzintervalle blieben unter der vor Studienbeginn festgelegten Non-Inferiorität-Grenze von (minus) 10 Prozent.

Im Prinzip sollte deshalb ein Intervall von acht Wochen für die Injektion der Depot­präparate ausreichend sein. Die Hersteller entschieden sich jedoch bei der Planung der Phase-3-Studie für ein Intervall von vier Wochen. Der Grund wird bei einer näheren Betrachtung der virologischen und der pharmakokinetischen Daten erkennbar. In der 8-Wochen-Gruppe gab es fünf Patienten, die bei der Untersuchung nach 96 Wochen keine ausreichende Virussuppression erzielt hatten gegenüber einem Patienten unter der oralen Therapie und keinem Patienten in der 4-Wochen-Gruppe (die „Therapieversager“ dort waren auf Patienten zurückzuführen, die für keine Daten zur Verfügung standen, vielleicht waren sie nicht zur abschließenden Blutentnahme erschienen). In der 8-Wochen-Gruppe lagen die Serumkonzentrationen Cabotegravir und Rilpivirin mehrfach unter den Werten, die für eine vollständige Virussuppression benötigt werden. 

Weitere Studien prüfen die Verträglichkeit

Vor der Einführung der Depot-Präparate dürften die Arzneimittel-Agenturen die Ergeb­nisse der laufenden Phase-3-Studie abwarten, an der 4.500 Patienten teilnehmen werden. Endergebnisse werden für Dezember 2021 erwartet. 

Diese Studie wird auch weitere Ergebnisse zur Verträglichkeit liefern. In der Phase-2b-Studie ist es zu keinen ernsthaften Komplikationen gekommen. Einziger Nachteil der intramuskulären Injektionen scheinen die Lokalreaktionen nach den intramuskulären Injektionen zu sein: Sie wurden von den Patienten bei 3.648 von 4.360 Injektionen (84 Prozent) als milde und bei 673 von 4.360 Infektionen (15 Prozent) als mittelgradig ein­gestuft wurden. Nur zwei von 230 Patienten brachen die Therapie ab, weil sie keine weiteren intramuskulären Injektionen mehr erhalten wollten.

rme

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