TTIP darf keine Anwendung auf deutsches Gesundheitswesen finden

Berlin – „Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union müssen in Fragen der Gesundheitspolitik und der Ausgestaltung der Gesundheitssysteme ihre Souveränität behalten. Wir fordern daher eine Positivliste, die klarstellt, dass TTIP keine Anwendung auf das Gesundheitswesen und die Heilberufe findet.“ Diese Forderung haben heute in Berlin die Bundesärztekammer, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundeszahnärztekammer, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) anlässlich der Verhandlungen zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gestellt.
Freihandelsabkommen dürften die Behandlungsqualität, den schnellen Zugang zur Gesundheitsversorgung und das hohe Patientenschutzniveau in Deutschland und der Europäischen Union (EU) nicht beeinträchtigen, heißt es weiter in der Erklärung. In der EU sei klargestellt, „dass die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung zu wahren ist“. Gesundheitsdienstleistungen seien besonders sensibel, allgemeinwohlbezogen und schützenswert und könnten nicht mit marktorientierten Dienstleistungen gleichgesetzt werden.
„Freiberuflichkeit von Ärzten darf durch TTIP nicht eingeschränkt werden“
„Wir erwarten, dass die Verhandlungsführer der Europäischen Union diese Grundsätze bei den Verhandlungen beachten und unsere erfolgreichen Gesundheitssysteme – auch in Teilen – schützen. Die Rechte der Patienten wie auch die Freiberuflichkeit von Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten und Apothekern sowie die Kompetenzen ihrer Selbstverwaltungsorgane dürfen nicht eingeschränkt oder aufgehoben werden“, fordern die Präsidenten und Vorsitzenden der Heilberufsverbände.
„Kapitalinteressen dürfen medizinische Entscheidungen nicht beeinflussen“, stellen sie klar. In Deutschland existiere ein weitgehend selbstverwaltetes, am Gemeinwohl orientiertes Gesundheitswesen, während das US-amerikanische Gesundheitssystem stark marktwirtschaftlich geprägt sei und deutlich weniger solidarische Elemente aufweise. Die Struktur des deutschen Gesundheitswesens sei maßgeblich durch Schutzmechanismen wie die Zulassungsvoraussetzungen für Vertrags(zahn)ärzte, die Bedarfsplanung oder den Sicherstellungsauftrag der Körperschaften gekennzeichnet. „Diese dürfen nicht durch Freihandelsabkommen aufgebrochen werden, um rein gewinnorientierten Unternehmen Profitmöglichkeiten durch das Betreiben von (Zahn)Arztpraxen, Apotheken oder Medizinischen Versorgungszentren zu eröffnen“, schreiben die Verbände.
Gesundheitsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich von TTIP ausschließen
Deren Präsidenten und Vorsitzende zeigen sich „besorgt, dass der Anwendungsbereich der Freihandelsabkommen Gesundheitsdienstleistungen erfassen, deregulieren und darüber hinaus einer Normung unterziehen könnte. Damit würde die den Mitgliedstaaten vorbehaltene Gestaltung der Gesundheitssysteme nicht nur durch private internationale industriegetragene Normungsgremien, sondern letztlich durch internationale Freihandelsabkommen insgesamt ausgehebelt.“ Gesundheitsdienstleistungen müssten deshalb aus dem Anwendungsbereich von Freihandelsabkommen ausgeschlossen werden.
Die Präsidenten und Vorsitzenden der Verbände warnen zudem davor, Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung sowie Diagnostizierverfahren patentieren zu lassen. In den USA seien solche „Medical Procedure Patents“ möglich, in Europa jedoch ausgeschlossen. „Dieser Ausschlusstatbestand verhindert, dass die Wahl der Behandlungsmöglichkeiten durch den Patentschutz eingeschränkt wird“, schreiben sie in ihrer Erklärung. „Ärzten muss die Freiheit erhalten bleiben, sich für die am besten geeignete Maßnahme zur Behandlung ihrer Patienten entscheiden zu können. ‚Medical Procedure Patents‘ müssen in Europa auch weiterhin verboten bleiben.“
Gröhe: Es wird keine Absenkung von Sozialstandards geben
Und schließlich dürfe es ausländischen Investoren nicht ermöglicht werden, private Schiedsgerichte anzurufen, weil sie „den Wert ihrer Investitionen durch politische Entscheidungen, Gesetze oder sonstige staatliche Maßnahmen geschmälert“ sehen. Insbesondere die mangelnde Transparenz, die fehlende Einbettung in den europäischen Rechtsrahmen und die Rekrutierung von Schiedsrichtern aus internationalen Anwaltskanzleien würden dem öffentlichen Interesse und der Komplexität der unterschiedlichen Gesundheitssysteme der Vertragsstaaten potenziell nicht gerecht werden.
Seit Juli 2013 verhandeln die EU und die USA über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Schon auf dem 118. Deutschen Ärztetag vergangene Woche in Frankfurt am Main hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, gemahnt, dass im Rahmen von TTIP deutsche Normen und Sozialstandards durch transatlantische nicht unterlaufen oder gar konterkariert werden dürften. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte daraufhin zugesagt, dass es im Rahmen von TTIP keine Absenkung von Sozialstandards geben und dass der Investorenschutz rechtsstaatlich und transparent sein werde.
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