Rechtsmedizin der Goethe-Universität führt Leichenschauen vor Ort durch

Frankfurt am Main – Seit Jahresbeginn werden von der Polizei angeforderte Leichenschauen in der Main-Metropole Frankfurt tagsüber (Montag bis Freitag) auch vom Institut für Rechtsmedizin der Goethe-Universität vorgenommen.
Immer dann, wenn ein niedergelassener Arzt nicht oder nicht zeitnah zur Verfügung steht, sollen Polizisten sich direkt an das Institut wenden, das eigens für diese Aufgaben eine Arztstelle geschaffen hat. Die als Pilotprojekt angelegte Vereinbarung zwischen der Uniklinik und dem Gesundheitsamt der Stadt wurde heute vorgestellt. Es sei bundesweit bislang ohne Vorbild, hieß es.
Ziel: Organisatorische Lücken schließen
Mit der neuen Leichenschauregelung sollen organisatorische Lücken bei der Anforderung niedergelassener Ärzte geschlossen werden. Nachts und an Wochenenden bleiben – wie bisher – Ärzte des Fahrenden Ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen Ansprechpartner der Polizei.
Vertreter der Stadt Frankfurt und des Frankfurter Polizeipräsidiums berichteten, dass tagsüber die zeitnahe Anforderung von Leichenschauärzten bisweilen große Probleme bereitet habe. Oft seien mehrere Stunden vergangen, bis ein Arzt aus seinem Praxisbetrieb heraus am Leichenfundort eingetroffen sei. Bis zu dessen Ankunft müssten Polizisten den Ort bewachen, die aber im Streifendienst dringender benötigt würden.
Je Fall seien bis dato durchschnittlich zwei Stunden vergangen. Im vergangenen Jahr seien allein 1.700 Dienststunden der Polizei nur für die Bewachung von Leichenfundorten angefallen. Lange Wartezeiten, in Einzelfällen zwischen sechs und neun Stunden, stellten aber auch für Angehörige eine große psychische Belastung dar.
Die KV Hessen hatte mit einer Reform 2016 den fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst in Frankfurt tagsüber eingestellt. Das Echo unter niedergelassenen Ärzten auf Appelle, sich freiwillig als Ansprechpartner für Leichenschauen zur Verfügung zu stellen, sei „eher zurückhaltend“ gewesen, räumte KV-Vorstandsvizechef Eckhard Starke auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblatts ein.
Bessere Qualität
Der Leiter des Rechtsmedizinischen Instituts der Goethe-Universität, Marcel A. Verhoff, betonte, dass durch sein Institut auch die Qualität der Leichenschauen verbessert werde. Ein Leichnam würde hier mit mehr Hintergrundwissen und exakter inspiziert. Im Institut verfüge man schließlich über „viel mehr Hintergrundwissen“ zum Erkennen auf Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod.
Das Pilotprojekt wird von der Stadt Frankfurt mit 100.000 Euro finanziert und soll evaluiert werden. Von ihm erhofft sich auch das Gesundheitsamt eine Entlastung, das immer dann kontaktiert werde, wenn sich kein niedergelassener Arzt für eine Leichenschau finde.
Rechtsmediziner und Polizei kritisieren seit Langem bundesweit eine zu hohe Zahl an fehlerhaften Totenscheinen und oberflächlichen Leichenschauen. Experten des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Rostock untersuchten in einer Studie 10.000 Todesbescheinigungen: Davon waren lediglich 223 fehlerfrei, 44-mal wurde fälschlicherweise ein natürlicher Tod festgestellt.
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