Köhler stellt Sicherstellungsauftrag infrage

Berlin – Der anhaltende Honorarstreit zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband zieht weitere Konsequenzen nach sich. Die Vertreterversammlung der KBV hat heute in Berlin einstimmig entschieden, alle niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten zur Zukunft des bestehenden Systems zu befragen. Der KBV-Vorstand wird in einer Umfrage klären, „ob und unter welchen Rahmenbedingungen die Gewährleistung des Sicherstellungsauftrags durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und die KBV noch sinnvoll erscheint.“
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Andreas Köhler hatte zuvor erklärt, es gehe längst nicht mehr nur um die aktuellen Honorarkonflikte. „Der Sicherstellungsauftrag, den viele Ärztevertreter – auch wir und ganz besonders ich – lange wie eine Monstranz vor sich hergetragen haben, ist nicht mehr der Sicherstellungsauftrag, den wir damals übernommen haben", sagte er mit Bezug auf das historische Abkommen. „Wo bleibt der verbriefte Anspruch auf eine in Höhe und Form angemessene Entschädigung, wie im Berliner Abkommen vor hundert Jahren vereinbart?"
Seit Jahren gehöre es zum guten Ton, ökonomischen Prinzipien im Gesundheitswesen zum Durchbruch verhelfen zu wollen, sagte Köhler. Nur sei der gewählte Ansatz im Kern faul, denn „er geht davon aus, dass Kassen und Gesellschaft dem Arzt gegenüber hemmungslos jede ökonomisch motivierte Regulierung anwenden dürfen und sollen. Nur bitte nicht umgekehrt!" Der Arzt werde stets auf sein Ethos verpflichtet und dürfe sich nicht verweigern, indem er beispielsweise die Behandlung einstelle, weil das Geld verbraucht sei. Dass der Sicherstellungsauftrag längst erodiert sei, sei keine neue Erkenntnis, ergänzte Köhler. Aber bisher habe man sich es stets verboten zu erwägen, die Versorgung der Versicherten zur Disposition zu stellen. Damit ist nach seinen Worten nun Schluss.
Die KBV hat sieben Forderungen aufgestellt, die innerhalb von fünf Jahren erfüllt sein müssten, damit die Vertragsärzte und Psychotherapeuten den Sicherstellungsauftrag weiter wahrnähmen. Dazu zählen die Wiederherstellung der diagnostischen und therapeutischen Freiheit und feste, kostendeckende Preise. Komplizierte Steuerungselemente und Regresse gehörten abgeschafft, die Überprüfung der Qualität ärztlicher Arbeit wieder in ärztliche Hände. Es bedürfe einer klaren Wettbewerbsordnung zwischen Kollektiv- und Selektiv-Vertragssystem, und kassenspezifische Gesamtverträge müssten wieder möglich sein.
„Ein erster Meilenstein, der unmittelbar vor uns liegt, ist die Übernahme des gesamten Mengenrisikos für alle psychotherapeutischen Leistungen“, betonte Köhler. Der zweite sei die extrabudgetäre Vergütung aller haus- und fachärztlichen Grundleistungen der so genannten Grundversorger zu festen Preisen und ohne Mengenbegrenzung. Als drittes müssten „alle unsinnigen Mengenbegrenzungen“ wegfallen.
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