Allgemeine Coronaimpfpflicht zeichnet sich ab, BÄK für Verpflichtung

Berlin – Angesichts der dramatischen Coronalage soll der Bundestag möglicherweise über eine allgemeine Impfpflicht abstimmen. Der voraussichtliche neue Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich in einer Bund-Länder-Schaltkonferenz heute für eine entsprechende Abstimmung im Parlament ohne die sonst übliche Fraktionsdisziplin aus. Scholz hatte sich bereits für eine Coronaimpfpflicht in bestimmten Einrichtungen mit Risikogruppen ausgesprochen.
Die von Union und Grünen geführten Bundesländer hatten den Bund heute aufgerufen, die „Vorbereitungsarbeiten zur Einführung einer allgemeinen Impflicht zügig einzuleiten“. Die Impfpflicht könnte ab Anfang Februar 2022 greifen, wie aus von der SPD-Seite vorgelegten Vorschlägen hervorgeht.
Beschlüsse sollte es aber heute noch nicht geben. Am Donnerstag (3. Dezember) wollen sich Bund und Länder in einer Konferenz der Ministerpräsidenten mit dem Bund wieder treffen. Ursprünglich war das Treffen für den 9. Dezember geplant.
Eine Abstimmung ohne Fraktionszwang, wie nun möglicherweise anvisiert, kommt bei ethisch heiklen Fragen in Betracht. Bei solchen Gewissensthemen debattiere das Parlament dann normalerweise anhand von Gruppenanträgen. Solche Anträge sind nach offenbar bereits in Vorbereitung.
Der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte bereits zuvor dafür plädiert, bei einer möglichen Entscheidung des Bundestags über eine allgemeine Impfpflicht die Abgeordneten von der Fraktionsdisziplin zu entbinden. Die FDP hat sich bisher immer skeptisch beim Thema Impfpflicht gezeigt.
„Die allgemeine Impfpflicht berührt viele schwierige Fragen“, sagte Buschmann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Bei solchen medizinethischen Themen hat es sich in der Vergangenheit bewährt, sie zur Gewissensfrage zu erklären.“
In der Videokonferenz heute berieten die Ministerpräsidenten mit Scholz und der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die aktuelle Coronalage. Demnach könnte es härtere Maßnahmen geben.
Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht zentrale Entscheidungen zu Lockdownmaßnahmen vom Frühjahr bekannt gegeben. Demnach sind die Maßnahmen der sogenannten Coronanotbremse des Bundes aus der dritten Pandemiewelle verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
BÄK für allgemeine Impfpflicht
Zuvor hatte Scholz in der Schalte Generalmajor Carsten Breuer als Leiter des geplanten Krisenstabs zur Beschleunigung der Booster- und weiteren Coronaimpfungen vorgestellt. Künftig sollen laut den Vorschlägen der SPD-Seite auch Apotheker impfen dürfen. Strenge Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte sollen laut den SPD-Vorschlägen in allen Ländern veranlasst werden.
Das Präsidium der Bundesärztekammer (BÄK) hatte sich heute in einem Schreiben an die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, unter anderem für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen.
Der Bund müsse „unverzüglich gesetzliche Regelungen für eine verfassungsrechtlich abgesicherte allgemeine Impfpflicht für alle erwachsenen Bürgerinnen und Bürger schaffen, bei denen keine medizinischen Kontraindikationen gegen eine Impfung vorliegen“, heißt es in dem Brief von BÄK-Präsident Klaus Reinhardt und den BÄK-Vize Ellen Lundershausen und Günther Matheis.
Sie betonten, wer der Impfpflicht nicht nachkomme, sollte „mit spürbaren Restriktionen bei der Teilnahme am öffentlichen und gewerblichen Leben rechnen“ müssen. Grund sei, nur eine „sehr hohe Impfquote“ stelle die einzige Möglichkeit dar, aus der Lockdownendlosschleife mit massiven psychosozialen Kollateraleffekten insbesondere für Kinder und Jugendliche herauszukommen.
Die BÄK sprach sich weiter dafür aus – wo es regional erforderlich ist – in Abstimmung mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Impfzentren mit Öffnungszeiten auch in den Abendstunden wieder in Betrieb zu nehmen.
Außerdem müssten mobile Impfangebote ausgebaut werden, mit aufsuchenden Impfteams, Impfbussen und Popup-Impfstellen in Wohngebieten und Einkaufszentren. „Der Bund ist aufgefordert, schnellstmöglich für ausreichend mRNA-Vakzine für die Verimpfung in Praxen, Impfzentren und mobilen Impfstellen zu sorgen“, schreibt die BÄK.
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