Vermischtes

Abtreibungen: Streit zwischen Chefarzt und Mutterkonzern

  • Mittwoch, 8. Februar 2017
Wird intern benutzt (const NEWSLOGO_IMGID)

Dannenberg/Stadthagen – Die Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik (EJK) in Dannenberg hat ges­tern angekündigt, keine Schwangerschaftsabbrüche in dem Krankenhaus mehr ermög­lichen zu wollen. Heute meldet sich der Mutterkonzern. Er ist ganz anderer Auffassung.

Der Mutterkonzern der Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik (EJK) führt bereits Gespräche mit der Klinikleitung und den Gynäkologen des Hauses über eine Fortsetzung von Schwanger­schaftsabbrüchen. „Die Versorgung soll weiterhin bestehen bleiben“, sagte Martin Reitz, Geschäftsführer der Capio Deutsche Klinik GmbH, heute. Wenn eine Einigung mit dem Chefarzt nicht gefunden werden könne, werde man perspektivisch keinen gemeinsamen Weg finden können. Bestehe der Arzt auf seiner Weisung, dann müsste man im Zweifel getrennte Wege gehen.

Der neue Chefarzt der Gynäkologie in Dannenberg hatte sich zuvor auf seinen christli­chen Glauben berufen und Abtreibungen abgelehnt. Dabei hatte er auch Unterstützung vom Leiter der Klinik im Landkreis Lüchow-Dannenberg bekommen. „Die Geschäftsfüh­rung hat schon vor Ort Gespräche mit den Angestellten über das Angebot von Schwan­ger­schaftsabbrüchen nach der Beratungslösung aufgenommen“, sagte Reitz in Fulda. Sehr kurzfristig solle eine Lösung mit den Gynäkologen der Abteilung gefunden werden.
Die Klinik in Dannenberg hatte auf Anfrage heute an die Konzernleitung in Fulda ver­wie­sen.

Als weltanschaulich neutrale und konfessionsübergreifende Einrichtungen werde Capio in Kliniken mit gynäkologischen Fachabteilungen auch weiterhin Abtreibungen nach der gesetzlich vorgesehenen Beratung ermöglichen, hatte Reitz bereits gestern in einer Mit­teilung erklärt. „Wir respektieren die Entscheidung des einzelnen Arztes“, sagte er. Der individuelle Wunsch und das gesundheitliche Wohl der Patientinnen stehe aber „erster Stelle“.

Klinikchef Markus Fröhling hatte die Entscheidung des Chefarztes vorgestern verteidigt. „Laut Gesetz kann kein Arzt zu einem Schwangerschaftabbruch verpflichtet werden“, hatte er gesagt. Eine Begründung verlange das Gesetz nicht. Sei aber die Gesundheit der Frau in Gefahr, so würde die Betroffene natürlich auch in Dannenberg behandelt. Im vergangenen Jahr seien nach der Beratungsregelung unter dem vorherigen Chefarzt 31 Schwangerschaftsabbrüche in dem 100-Betten-Krankenhaus durchgeführt worden.

„Die Mitteilung der Klinik-Geschäftsführung begrüße ich“, sagte Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) heute. Es sei wichtig, dass die Klinik weiterhin Abbrüche ermögli­chen wolle. „Mir ist es ein wichtiges Anliegen, dass sich jede Frau im Rahmen der gesetz­li­chen Vorgaben für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden kann“, erklärte Rundt.

Dazu gehöre auch die Möglichkeit, den für sie emotional und körperlich belastenden Ein­griff in einer vertrauten Umgebung in angemessener Entfernung zu ihrem Wohnort durch­­führen zu lassen. Für betroffene Schwangere sei es eine Beruhigung zu wissen, wenn sie bei einem möglichen Abbruch Hilfe auch in der Elbe-Jeetzel-Klinik erhalten wür­den. „Darüber hinaus zeigt es, dass sich ein Krankenhaus, das mit Mitteln der Kranken­kassen und des Landes finanziert wird, sich auch seiner gesellschaftlichen Verantwor­tung bewusst ist.“

Die Entscheidung der Klinik in Dannenberg war auch überregional auf Kritik gestoßen. „Wir begrüßen es sehr, wenn die Entscheidung zurückgenommen wird“, sagte Uta Engel­hardt, Landesgeschäftsführerin der Beratungs-Organisation Pro Familia Niedersachsen. „Die Frauen im Landkreis müssen wieder die Möglichkeit haben, ihr Selbstbestimmungs­recht wahrzunehmen, wenn eine ungewollte Schwangerschaft beendet werden muss“, sagte Engelhardt heute.

Unterstützung erhielten Chefarzt und Klinik vom Bundesverband Lebensrecht (BVL). Es sei eine „starke wie gute Entscheidung, die der neue Chefarzt der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg“ getroffen habe, sagte BVL-Vorsitzender Martin Lohmann. Es sei „beeindruckend und verdiene Respekt, wenn sich ein Arzt als Christ auf sein Gewissen beruft und aus diesem Grunde keine Abtreibungen mehr durchführen will“.

Lohmann bezeichnete es als „tragisch, dass diese Sensibilität für das Leben leider alles andere als normal ist und gar viele Menschen dem tödlichen Irrtum verfallen sind, es gebe ein Recht auf Abtreibung“. Die gebe es auch in Deutschland nicht. „Hier brauchen wir wirklich wieder mehr Chancen für ein informiertes und waches Gewissen“, forderte er.

Dass die Klinikleitung nach anfänglicher Unterstützung der Gewissensentscheidung des Arztes „offensichtlich unter dem Druck mancher öffentlicher Gegenmeinung eingeknickt ist“, sei aus seiner Sicht äußerst tragisch. „Wenn ein Zurückweichen und Kneifen gegen­über dem Lebensrecht gerade des ungeborenen Menschen so leicht geschehen kann, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht in unserer Gesellschaft.“

Die Deutsche Evangelische Allianz betonte, die Vorgänge müssten zu einem „Weckruf“ führen und die längst überfällige Überprüfung einläuten, die das Bundesver­fassungs­ge­richt in seinem Urteil vom Mai 1993 gefordert habe. Offenbar sei entgegen der Rechts­la­ge die Abtreibungsmentalität so fest in Deutschland verankert, dass jedes Nein dagegen zu einer öffentlichen Entrüstung führe. „Das Nein muss aber die Regel, das Ja zu einer Abtreibung kann höchstens die Ausnahme sein“, erklärten Ekkehart Vetter, Erster Vor­sitzender und Hartmut Steeb, Generalsekretär der Allianz.

Eine Abtreibung ist in Deutschland grundsätzlich rechtswidrig, unter bestimmten Bedin­gun­gen aber nicht strafbar.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung