Adipositas-Chirurgie: Magenbypass hat bei Jugendlichen langfristige Vorteile und Risiken

Cincinnati/Göteborg – Die Anlage eines Roux-en-Y-Magenbypasses hat in zwei Studien aus den USA und Schweden das Körpergewicht von Jugendlichen mit morbider Adipositas langfristig gesenkt und die Stoffwechselsituation verbessert. Es waren jedoch häufig Nachoperationen erforderlich und ein Vitaminmangel macht laut den Publikationen in Lancet Diabetes & Endocrinology 2016; doi: 10.1016/S2213-8587(16)30315-1 und 30424-7) eine lebenslange Betreuung erforderlich.
Eine Adipositas permagna mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 40 kg/m2 oder höher ist auch bei Teenagern keine Seltenheit mehr. In den USA sollen 4,6 Millionen Kinder und Jugendliche betroffen sein. Eine Ernährungstherapie ist häufig erfolglos und Medikamente wie Orlistat erzielen in der Regel nur eine geringe Gewichtsabnahme, die die Jugendlichen nicht vor den Folgen der Adipositas schützt, die in einem Typ 2-Diabetes und frühzeitigen Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen.
Eine Adipositas-Chirurgie kann dagegen eine deutliche Gewichtsreduktion erzielen. Die meisten Chirurgen sind jedoch zurückhaltend in ihrer Indikationsstellung, da die langfristigen Folgen nicht bekannt sind. Dies gilt vor allem für die Anlage eines Roux-en-Y-Magenbypasses, der neben einer Verkleinerung des Magens auch die Absorptionsstrecke im Dünndarm verkürzt.
Jetzt liegen erstmals Ergebnisse aus zwei Langzeitstudien vor. Am Cincinnati Children’s Hospital Medical Center erhielten zwischen 2001 und 2007 74 Kinder und Jugendliche im Alter von 13 bis 21 Jahren einen Roux-en-Y-Magenbypass. Thomas Inge und Mitarbeiter konnten 58 Patienten im Mittel 8 Jahre nach der Operation nachuntersuchen. Der BMI war im ersten Jahr von 58,5 auf 36,3 kg/m2 gefallen und bei der letzten Untersuchung wieder leicht auf 41,5 kg/m2 angestiegen. Die Teilnehmer wogen statt 170,8 noch 120,9 kg.
Trotz der Reduktion des Körpergewichts um 50 kg sind die meisten Kinder noch adipös. Ihre Stoffwechselsituation hat sich jedoch verbessert. Die Insulinempfindlichkeit hat sich wieder normalisiert: Die HOMA-IR-Werte sind von 9,0 auf 1,5 gesunken. Sieben der acht Patienten, die zuvor an einem Typ 2-Diabetes erkrankt waren, haben wieder normale Blutzuckerwerte. Bei 19 von 25 Patienten mit arterieller Hypertonie haben sich die Blutdruckwerte normalisiert. 29 von 45 Patienten haben sich von einer Dyslipidämie erholt.
Die Anlage des Roux-en-Y-Magenbypass war jedoch nicht immer unproblematisch: Bei 13 Patienten musste wegen Problemen im Magenbypass eine Endoskopie durchgeführt werden, bei 12 Patienten wurde die Gallenblase entfernt, drei Patienten mussten wegen einer gastrointestinalen Perforation operiert werden. Bei drei Patienten wurde eine Koloskopie und bei zwei Patienten eine explorative Laparoskopie notwendig. 83 Prozent der Kinder entwickelten eine Eisenmangelanämie, bei 78 Prozent wurde ein Vitamin D-Mangel diagnostiziert, 45 Prozent haben heute einen Hyperparathyreoidismus (als Folge des Vitamin D-Mangels) und 16 Prozent ein zu niedriges Vitamin B12.
Ähnliche Erfahrungen machten Torsten Olbers von der Universität Göteborg und Mitarbeiter, die die Daten von 81 schwedischen Jugendlichen auswertete, die im Alter von 13 bis 18 Jahren einen Roux-en-Y-Magenbypass erhalten hatten. Das Ausgangsgewicht war mit 132,8 kg (BMI 45,5 kg/m2) niedriger als in der US-Kohorte. Die relative Gewichtsabnahme ist mit 36,8 Prozent jedoch ähnlich. Der BMI ging um 13,1 kg/m2 zurück, während er in einer Vergleichsgruppe mit ähnlichen Ausgangswerte um 3,3 kg/m2 weiter angestiegen ist.
Obwohl nur jeder dritte Jugendliche einen BMI von weniger als 30 kg/m2, der Grenze zur Adipositas, erreichte, verbesserten sich die Stoffwechselwerte. Alle drei Patienten mit Typ 2-Diabetes haben heute normale Blutzuckerwerte, die Zahl der Patienten mit einer Dyslipidämie ging von 56 auf 11 zurück. Nur noch drei statt ursprünglich 12 Patienten haben eine arterielle Hypertonie. Von von 24 Patienten mit einer beginnenden nicht-alkoholischen Fettleber-Erkrankung (Anstieg der Alanin-Aminotransferase) erholten sich 23.
Auch in Schweden kam es häufig zu einer Eisenmangelanämie (32 Prozent), zum Vitamin-D-Mangel (63 Prozent) und/oder zum Vitamin B12-Mangel (22 Prozent). Bei den 81 Patienten waren insgesamt 21 zusätzliche Operationen erforderlich.
Keine andere bariatrische Operation ist nach Ansicht von Geltrude Mingrone, Katholische Universität Rom, in der Lage, eine so deutliche Gewichtsreduktion zu erzielen wie die Anlage eines Roux-en-Y-Magenbypasses. Dennoch bleibt das Ergebnis nach Ansicht der Editorialisten zweischneidig. Alle Patienten benötigen aufgrund des Vitamin-Mangels eine dauerhafte medizinischen Betreuung, was in der schwierigen Phase der Adoleszens nicht immer gelinge. Ohne eine Nachbetreuung bestehe allerdings die Gefahr, dass die negativen Folgen der Operationen bei einigen Kinder die Vorteile der Gewichtsabnahme wieder aufheben.
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