Medizin

Adipositas: Längere Diätberatung erzielt in randomisierter Studie bessere Gewichtsreduktion

  • Donnerstag, 4. Mai 2017

Cambridge – Das kostenlose zwölfwöchige Programm zur Gewichtsreduktion, das der britische National Health Service (NHS) adipösen Menschen anbietet, sollte auf 52 Wochen erweitert werden. Dies fordern die Autoren einer randomisierten kontrollierten Studie im Lancet (2017; doi: 10.1016/S0140-6736(17)30647-5), die die Verlängerung der Diätberatung nicht nur für effektiver, sondern auch für kosteneffektiv halten.

Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE), das für den NHS die Kosten-Effektivität von medizinischen Therapien beurteilt, hat für adipöse Menschen ein 12-wöchiges Programm zur Gewichtsreduktion empfohlen. Die Patienten erhalten Gutscheine, die sie bei kommerziellen Anbietern einlösen können. Die Gruppen­sitzungen finden einmal wöchentlich statt und gelten als evidenzbasiert. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die meisten Patienten nach dem Ende der Diätberatung wieder zunehmen.

Der Medical Research Council, eine staatliche Forschungsorganisation, hat jetzt zusammen mit dem Anbieter Weight Watchers International untersucht, ob eine Verlängerung der Ernährungsberatung auf 52 Wochen die Ergebnisse verbessern könnte. An der WRAP-Studie („Weight loss referrals for adults in primary care“) nahmen 1.267 Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von 28 oder höher teil.

Sie wurden nach dem Los auf drei Gruppen verteilt. Die erste Gruppe nahm an der üblichen 12-wöchigen Diätberatung teil. In der zweiten Gruppe wurde das Programm auf 52 Wochen verlängert. In der dritten Gruppe erhielten die Teilnehmer nach einer kurzen mündlichen Beratung nur einen 32-seitigen Patientenratgeber der British Heart Foundation ausgehändigt. 

Längere Beratung, bessere Ergebnisse

Primärer Endpunkt der Studie war die Gewichtsreduktion. Wie ein Team um Amy Ahern von der Universität Cambridge berichtet, erzielte die längere Diätberatung die besseren Ergebnisse. Am Ende der Beratung nach einem Jahr hatten die Patienten im Durchschnitt 6,8 kg abgenommen gegenüber 4,8 kg nach der 12-wöchigen Therapie und immerhin 3,3 kg mit Hilfe des Patientenratgebers.

Zwei Jahre nach Beginn der Behandlung hatten die Teilnehmer in allen Gruppen wieder an Gewicht zugelegt. Die Teilnehmer der Selbsthilfe-Gruppe wogen aber noch 2,3 kg weniger als vor Beginn der Studie. Nach dem 12-wöchigen-Programm betrug die Gewichtsreduktion noch 3,0 kg und nach dem 52-wöchigen Programm noch 4,3 kg.

Das verlängerte Diätprogramm senkte auch den Nüchternblutzucker um 0,54 mmol/l (10 mg/dl) und der HbA1c verbesserte sich um 0,24 Prozentpunkte. Das ist nur ein geringer Unterschied. Die Teilnehmer der Studie litten jedoch (noch?) nicht an einem Typ 2-Diabetes. Ihr Ausgangs-HbA1c hatte durchschnittlich 6,0 Prozent betragen. Nach der 12-wöchigen Gewichtsreduktion war der Nüchternblutzucker nur um 0,27 mmol/l und der HbA1c-Wert nur um 0,13 Prozentpunkte gesunken. Der Unterschied zur Selbsthilfe mit dem Patientenratgeber war in dieser Gruppe nicht signifikant.

Ahern hat Berechnungen über die langfristigen Auswirkungen der Gewichtsreduktion angestellt. Die auf 52 Wochen verlängerte Gewichtsreduktion könnte im Vergleich zum 12-Wochen-Programm im Laufe von 25 Jahren bei 100.000 Teilnehmern 1.786 Krankheiten vermeiden, schreibt sie. Darunter wären 642 Fälle weniger von Hypertonie, 373 Fälle weniger von Diabetes und 104 Fälle weniger von Herzerkrankungen.

Trotz der höheren Kosten wäre das verlängerte Programm kosten-effektiv. Entscheidungskriterium ist hier die ICER („incremental cost-effectiveness ratio“). Sie setzt die Mehrkosten einer Behandlung mit den durch die Behandlung gewonnenen Lebensjahren in guter Lebensqualität (quality-adjusted life year oder QALY) in Beziehung. Gegenüber der Selbsthilfe mit einem Patientenratgeber müssten laut Ahern 3.804 britische Pfund pro QALY eingesetzt werden.

Gegenüber der derzeit von NICE bevorzugten 12-wöchigen Diätberatung beträgt die ICER 2.394 britische Pfund pro QALY. Sie liegt damit deutlich unter dem Grenzwert von 20.000 bis 30.000 britischen Pfund, die das NICE in anderen Bereichen für gerechtfertigt ansieht.

rme

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