Politik

Ärzte ohne Grenzen fordert legale Fluchtwege nach Europa

  • Freitag, 19. Juni 2015
Uploaded: 19.06.2015 17:21:43 by mis

Berlin – Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat die Europäische Union aufgefordert, legale Fluchtwege nach Europa zu schaffen und eine umfassende Seenotrettung im Mittelmeer zu gewährleisten. „Immer mehr Menschen versuchen, das Mittelmeer zu überqueren und riskieren ihr Leben auf hoher See, weil es an sicheren und legalen Wegen nach Europa fehlt – in diesem Jahr sind es dem Flüchtlings­kommissar der Vereinten Nationen zufolge bereits mehr als 100.000“, erklärte der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen, Florian Westphal, heute vor Journalisten in Berlin.

Allein im vergangenen Jahr seien über 3.500 Kinder, Frauen und Männer auf ihrer Flucht gestorben, in den ersten Monaten dieses Jahres bereits über 1.800 Menschen. „Das ist tragisch und inakzeptabel“, betonte Westphal. „Das Mittelmeer ist ein Massengrab geworden, und wir können nicht weiter zuschauen.“

Deshalb habe sich Ärzte ohne Grenzen nach der Einstellung der italienischen Marineoperation Mare Nostrum Ende 2014 dazu entschlossen, mit eigenen Schiffen Flüchtlinge im Mittelmeer zu retten. Bereits etwa 3.800 Menschen in Seenot hätten so bislang gerettet werden können. „Diese lebensrettenden Einsätze zwischen Afrika und Europa werden in den nächsten Monaten andauern, solange erneut Tausende ihr Leben auf dem Mittelmeer riskieren“, kündigte Westphal an.

„Die Ebola-Epidemie ist noch nicht vorüber“
Der neue Vorstandsvorsitzende von Ärzte ohne Grenzen, Volker Westerbarkey, berichtete über die Ebola-Epidemie in Westafrika: „2014 hat uns das Ebola-Virus an die Grenzen unserer Belastbarkeit gebracht.“ Niemals zuvor habe es so viele Ebola-Infizierte und -Tote und eine Ebola-Epidemie von solcher Dauer und solcher Ausbreitung gegeben. Und niemals zuvor habe Ärzte ohne Grenzen in solchem Ausmaß Mitarbeiter aus anderen Projekten abgezogen, um sie dann in Westafrika einzusetzen.

Insgesamt habe Ärzte ohne Grenzen bis heute in 17 Behandlungseinrichtungen in Guinea, Sierra Leone und Liberia etwa 9.500 Patienten mit Verdacht auf Ebola aufgenommen – 5.000 dieser Menschen seien tatsächlich infiziert gewesen. Und nur die Hälfte von ihnen habe überlebt.

Westerbarkey betonte, dass die Epidemie noch nicht vorüber sei. „Wir müssen aufpassen, dass wir Ebola nicht noch einmal unterschätzen“, appellierte er. „Der Ausbruch ist noch immer nicht unter Kontrolle.“ Bis Anfang Mai sei zwar die Zahl der bekannten Neuinfektionen stark zurückgegangen. „Aber seitdem wurden mehrfach neue, unbekannte Übertragungsketten in Gebieten entdeckt, in denen mehrere Wochen lang keine Fälle bekannt waren“, so Westerbarkey. Die Situation bleibe besorgniserregend.

„Wir müssen aus der Ebola Epidemie dringend unsere Lehren ziehen“, betonte er. „Wir dürfen nicht zulassen, dass uns noch einmal eine Epidemie so unvorbereitet trifft.“ Künftig müsse die internationale Gemeinschaft schnell und umfassend auf Gesundheitskrisen reagieren. „Der Schutz und die Gesundheit von Menschen ist eine öffentliche Verantwortung und nicht die Verantwortung von uns oder von anderen privaten Organisationen“, erklärte er. Und die Forschung zu Krankheiten wie Ebola dürfe nicht länger so sträflich vernachlässigt werden. „Ebola war seit 40 Jahren bekannt. Vor der Epidemie in Westafrika gab es weltweit 24 Ebola-Ausbrüche. Aber niemand hat ein Medikament oder einen Impfstoff gegen das tödliche Virus entwickelt“, kritisierte Westerbarkey.

Spenden steigen um 38 Prozent
Die privaten Spenden und Zuwendungen an Ärzte ohne Grenzen in Deutschland sind im Jahr 2014 um 38 Prozent auf den Rekordwert von 113,4 Millionen Euro angestiegen. Die Ausgaben für die Projekte waren mit 97,3 Millionen Euro ebenfalls um ein Drittel höher als im Vorjahr. Die Länder mit den größten Anteilen waren die Demokratische Republik Kongo, der Südsudan und die Zentralafrikanische Republik.

fos

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