Politik

Ärzte und Kirchenvertreter: Kritik an ärztlicher Beihilfe zum Suizid

  • Donnerstag, 11. Juni 2015

Köln ­­– Einmütig haben sich der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Mont­gomery, und Vertreter der katholischen Kirche gegen ärztliche Beihilfe zum Suizid und organisierte Sterbehilfe gewandt. Die Frage nach einem Sterben in Würde sei eng verknüpft mit unserer Vorstellung von einem Leben in Würde, sagte der Erzbischof von Köln, Rainer Maria Woelki, im Grußwort zu einer Veranstaltung der Caritas in Nordrhein-Westfalen und der Caritas-Akademie Hohenlind gestern in Köln. Er warnte vor der „irrigen Annahme“, dass nur ein Leben in Jugendlichkeit, Schönheit, Sportlichkeit und mit einem gewissem Auskommen lebenswert sei. „Geistig Behinderten oder Alten die Würde abzusprechen, kann nicht wirklich im Interesse aller sein“, sagte der Kölner Erzbischof vor rund 250 Ärzten, Pflegeleitungen und Hospizmitarbeitern.

Es sei unangemessen, im Kontext des Sterbens von Selbstbestimmung und falsch verstandener Lebensqualität zu sprechen. Am Ende des Lebens zähle, „dass man nicht allein ist, dass man sich seiner Hilflosigkeit nicht schämen muss und dass der Schmerz erträglich gemacht wird“. Ein Staat, der die Menschenwürde als höchstes Gut betrachte, sollte mehr dafür tun, dass Menschen würdevoll auf ihrem letzten Weg begleitet werden, statt einen schnellen und selbst herbeigeführten Tod zu ermöglichen, betonte der Kardinal.

„Es gehört nicht zu den ärztlichen Aufgaben, Sterbehilfe zu leisten“, sagte Montgomery. In Umfragen hätten sich zwar 70 Prozent der Bevölkerung für aktive Sterbehilfe aus­gesprochen, aber weniger als zehn Prozent würden sie für sich selbst in Anspruch nehmen. „Sie wollen sicher nicht, dass ihnen ihr Hausarzt ein Rezept oder einen Becher mit Pillen in die Hand drückt.“ Seit dem Eid des Hippokrates sei es uraltes Selbstver­ständnis und oberstes Gebot der Ärzte, Leben zu erhalten.

Die Bundesärztekammer habe mit der Bekräftigung dieser Position klare ethische Führung innerhalb der Ärzteschaft übernommen. Wenn die Beihilfe zum Suizid zu einer ärztlichen Aufgabe würde, dann hätte dies auch Konsequenzen für die Aus- und Weiterbildung, die Forschung und die Haftpflichtversicherung. Er selbst favorisiere den derzeit vorliegenden Gesetzentwurf von Bundestagsabgeordneten um den CDU-Bundes­tags­abgeordneten Michael Brand, die Sterbehilfeorganisationen klar verbieten und nur die Sterbehilfe von sehr nahen Angehörigen straffrei belassen wollen.

Auf die Möglichkeiten der Schmerzmedizin wies Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, hin. Heute seien fast alle Schmerzen und selbst extreme Luftnot in den Griff zu bekommen, betonte er. Übrig blieben allenfalls sehr wenige Einzelfälle, für die man keine Gesetzesänderung brauche. Radbruch warnte vor einem Dammbruch, wenn man Sterbehilfe legalisiere. In Belgien und den Niederlanden, wo Sterbehilfe gesetzlich erlaubt und geregelt sei, stiegen die entsprechenden Fälle stetig an. „Für die Angehörigen ist es inzwischen der Normalfall, bei Menschen am Lebensende über Sterbehilfe nachzudenken“, warnte Radbruch.

Auch die Anästhesistin Ursula Wetzels von der Palliativpflegestation St. Joseph im belgischen Moresnet hält ärztliche Beihilfe zum Suizid und Tötung auf Verlangen für die „Überschreitung einer ethischen Grenze“. Sie vertritt jedoch die Überzeugung, dass die in Belgien unter bestimmten Voraussetzungen zulässige Sterbehilfe ein letzter Dienst am Menschen und ein Zeichen von Respekt und Mitmenschlichkeit sein könne. Zwar sei kein Arzt verpflichtet, Sterbehilfe durchzuführen, aber eine Institution wie ein Krankenhaus dürfe Sterbehilfe in ihren Räumen nicht verweigern.

Werde die Suizidbeihilfe als sozial akzeptierte Möglichkeit anerkannt, verändere sich die Entscheidungssituation für alle Angehörigen, erklärte dagegen der Freiburger Moral­theologe Eberhard Schockenhoff. Er warnte vor „subtilem Zwang“ und großer Sog­wirkung, die mit der Möglichkeit organisierter Sterbehilfe einhergehen. „Jeder Suizid ist eine Niederlage für die Gesellschaft“, sagte Schockenhoff, der auch Mitglied im Deutschen Ethikrat ist. Er hält es für richtig, dass die ärztliche Beihilfe zum Suizid berufsrechtlich untersagt ist. Die Gesellschaft sollte dies respektieren.

Kli

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