Alzheimer: Fünf neue Risikogene
Cardiff/Philadelphia – Zwei genomweite Assoziationsstudien, mit mehr als 54.000 Alzheimer-Patienten und Gesunden die bisher größten Untersuchungen bei dieser Erkrankung, haben zur Entdeckung von fünf neuen Risikogenen geführt. Die in Nature Genetics (2011; doi:10.1038/ng.801 und ng.803) vorgestellten Ergebnisse versprechen vor allem neue Einsichten in die Pathogenese.
Das erste und mit Abstand bedeutendste Alzheimer-Gen wurde 1993 entdeckt. Träger bestimmter Varianten im APOE-Gen haben ein dreifach erhöhtes Risiko, wenn ein Allel betroffen ist. Sind beide Allele verändert, erhöht sich das Risiko um den Faktor acht. Später wurden noch drei weitere Risikogene gefunden, die allerdings von untergeordneter Bedeutung sind. Das Erkrankungsrisiko der Genträger erhöht sich ihnen nur 10 bis 30 Prozent.
Dies trifft auch auf die jetzt entdeckten fünf neuen Genvarianten zu, die das Team um Julie Williams von der Universität Cardiff in Europa (mit signifikanter deutscher Beteiligung) und das Team um Gerard Schellenberg von der Universität von Pennsylvania in Philadelphia vorstellen. Es ist zwar die Rede davon, dass die Gene insgesamt 60 Prozent aller Erkrankungen erklären.
Diese Aussage erfolgte jedoch im Überschwang der Publikation, und es bleibt sicherlich abzuwarten, ob es zur Entwicklung von Gentests kommt, die eine Erkrankung vorhersagen könnten. Solche Tests hätten indes nur dann einen praktischen Nutzen, wenn die Krankheit durch eine präventive Therapie auch vermeidbar wäre.
Die Hoffnungen richten sich deshalb in erster Linie auf ein verbessertes Verständnis der Pathogenese. Noch immer ist nicht geklärt, warum es zu den Ablagerungen von Beta-Amyloid in den Zellen kommt, an denen diese schließlich zugrunde gehen. Dies führt zunächst zu den typischen Plaques. Später bilden sich auch die Tau-Fibrillen. Die neuen Gene bieten Ansatzpunkte, diese pathophysiologischen Vorgänge näher zu untersuchen.
Die neuen Gene sind MS4A, CD2AP, CD33, EPHA1 und ABCA7. Zusammen mit fünf bereits bekannten Genen verdoppelt sich die Zahl der Risikogene auf zehn. Sie lassen sich auf drei Gruppen verteilen. Die erste Gruppe greift in den Fettstoffwechsel ein. Dazu gehören neben APOE die Gene CLU und ABCA7.
Eine zweite Gruppe beeinflusst das Immunsystem. Hierzu zählen wiederum CLU und ABCA7, darüber hinaus aber auch CD33 und EPHA1. Eine dritte Gruppe wird in die Zellmembran eingebaut. Hierzu gehören PICALM, BIN1, CD33 und CD2AP. Ihre Genprodukte könnten an der Endozytose beteiligt sein. Über diesen Prozess werden Schadstoffe im Gehirn eingeschlossen und eliminiert.
Die Assoziation der Gene wurde sorgfältig validiert. Statt der sonst üblichen einfachen Prüfung wurden die Ergebnisse gleich an zwei Kohorten bestätigt. Dies soll ausschließen, dass es sich um einen statistischen Zufallsbefund handelt. Ob die neuen Gene das Verständnis über die häufigste degenerative Hirnerkrankung, an der in Deutschland aktuell 700.000 Menschen leiden sollen, verbessert, bleibt abzuwarten.
Für die jetzigen Patienten ergeben sich keine Konsequenzen, da von der Entdeckung eines therapeutischen Ansatzes bis zur Umsetzung in ein Medikamente in der Regel zehn bis 15 Jahre vergehen, wobei natürlich niemand vorhersagen kann, dass sich die Erkenntnisse überhaupt in eine Behandlung ummünzen lassen.
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