Amoklauf von Winnenden: Gericht sieht bei Ärzten keine Schuld
Heilbronn – Ärzte und Therapeuten des Amokläufers von Winnenden vom 11. März 2009 müssen sich nicht am Schadenersatz für Opfer und Hinterbliebene der Bluttat mit 16 Toten beteiligen. Das hat das Landgericht Heilbronn entschieden. Selbst wenn die Experten gewusst hätten, dass Tim K. freien Zugang zu Waffen hat, hätte dies „nicht den Rückschluss zugelassen, dass eine Amoktat im Raum steht“, heißt es in einer Mitteilung des Landgerichts.
Eine konkrete Ankündigung für eine Tat hat es aus Sicht des Gerichts nicht gegeben. Es macht sich damit die Meinung des jugendpsychiatrischen Gutachters Helmut Remschmidt zu eigen: Es gebe keine denkbare Diagnose, „keine einzige“, die Ärzte ein solches Verbrechen auch nur ahnen lasse. Der Gutachter hatte im Prozess aber auch auf ein mögliches Fehlverhalten der Mediziner hingewiesen. Die Therapeuten hätten nach den Tötungs-Äußerungen weiter nachfragen können und vielleicht sogar müssen. Auch nach dem Zugang zu Waffen hätten sie fragen müssen, sagte er. Zudem seien Tests falsch ausgewertet worden.
Die Richter führen die Tat dennoch im Wesentlichen darauf zurück, dass der Amoktäter Tim K. freien Zugang zu Waffen im Elternhaus hatte. Die Tatwaffe lag offen im Kleiderschrank des Vaters, einem passionierten Sportschützen. Das Landgericht Stuttgart hatte diesen deshalb wegen 15-facher fahrlässiger Tötung zu einer 18-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Der Vater des Attentäters sieht hingegen eine Mitschuld bei Ärzten und Therapeuten. Denn wenige Monate vor der Tat unterhielten sich die Experten des Zentrums für Psychiatrie mehrfach mit Tim K. Er habe oft Gedanken „andere umbringen zu wollen“, ist in Protokollen festgehalten. Auch von „alle erschießen“ ist die Rede. Er wiederholte die gruseligen Absichten aber in keinem weiteren Gespräch. Der Anwalt des Vaters des Attentäters erklärte nach dem Urteil, die Fehler der Ärzte seien „gravierend genug, um eine Verurteilung des Klinikums und seiner behandelnden Ärzte und Therapeuten zu begründen“.
Über eine Berufung sei noch nicht entschieden. Der Anwalt wies auch darauf hin, dass der Vater des Attentäters mit dem Prozess einzig und allein mehr Schadensersatz für die Opfer erzielen wolle. Mehrere Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen sind bereits beglichen: Zwei Millionen Euro flossen von der Versicherung des Vaters an mehr als 30 Opfer und Hinterbliebene, 400.000 Euro an die Stadt. Forderungen der Unfallkasse für Heilbehandlungen von Schülern, Eltern und Lehrern über knapp eine Million Euro stehen noch aus.
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