Analyse von Google-Suchanfragen könnte Aufschluss über Corona-Dunkelziffer geben

Hamburg – Die Analyse von Google-Suchanfragen erlaubt Aussagen über das tatsächliche Coronainfektionsgeschehen. Das berichtet eine Arbeitsgruppe aus dem Fachbereich Volkswirtschaftslehre der Universität Hamburg im Fachmagazin Plos One (2022; DOI: 10.1371/journal.pone.0276485).
Die Zahlen zu den SARS-CoV-2-Infektionen waren und sind oft unvollständig, weil es zu Anfang der Pandemie noch keine umfangreichen Testkapazitäten gab, weil Erkrankte trotz Symptomen nicht zum Testen gehen oder lediglich im privaten Rahmen testen.
Die Analyse großer Datenmengen auf Basis von Suchmaschinen oder Social Media hat sich laut der Arbeitsgruppe um Christina Maaß bereits bei anderen Erkrankungen, etwa der Grippe, als sinnvolle Analysebasis für das Infektionsgeschehen bewährt – auch weil die Daten schnell und frei verfügbar seien.
Die Forscher brachten für die Studie die offiziellen Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) mit Coronaanfragen bei der meistgenutzten Suchmaschine Google zusammen. Diese als „Google Trends“ bekannten Daten geben die Entwicklung des Suchvolumens für einen Begriff in einem bestimmten Zeitraum an. Berücksichtigt wurden die Suchbegriffe „Geruchsverlust“, „Geschmacksverlust“, „Testcenter“, „Quarantäne“, „Coronatest“ und „Lungenentzündung“.
Es zeigte sich auf Bundes- und Landesebene ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Suchvolumen einzelner Begriffe und den vom RKI herausgegebenen Zahlen während der ersten drei Infektionswellen, nämlich von März bis Mai 2020, von Oktober 2020 bis Januar 2021 und Februar bis Mai 2021. Allerdings unterschieden sich die Suchbegriffe mit dem stärksten Zusammenhang zur offiziellen Zahl während der Wellen: In der ersten Welle war es der Begriff „Quarantäne“, in der zweiten „Geruchsverlust“ und in der dritten „Coronatest“.
Durch verschiedene statistische Verfahren konnten die Wissenschaftler nach eigenen Angaben zeigen, dass eine kausale Beziehung zwischen Suchanfragen und registrierten Infektionen besteht, und dass zum anderen die Entwicklung des Suchvolumens für die Schätzung von Infektionsraten genutzt werden kann.
Auf dieser Basis entwickelten sie eine Berechnungsmethode für die Dunkelziffer, nach der die Zahl der Infizierten in der ersten Welle um 31 Prozent höher lag als die offizielle Zahl. Im Winter 2020/21 lag die Dunkelziffer laut der Methode bei 43 Prozent und im Frühjahr 2021 – mit Beginn der weit verbreiteten Testmöglichkeiten – bei 28 Prozent.
Das Verfahren ist der Arbeitsgruppe zufolge vor allem für die Phasen einer Pandemie geeignet, in denen es keine uneingeschränkten Testangebote gibt. „Zusätzlich können die asymptomatisch Infizierten mit einem Mittelwert aus den Ergebnissen deutscher und internationaler Studien berücksichtigt werden, der bei rund 20 Prozent liegen würde“, so Haas. Die Forscher kommen so auf eine Gesamtzahl von Infizierten in Deutschland, die bis zu 72 Prozent höher liegen als die offizielle Zahl.
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