Anhaltender Anstieg der Syphilis in Deutschland

Berlin – Der seit 2010 zu beobachtende Anstieg der Syphilis-Diagnosen hat sich auch 2012 und im ersten Halbjahr 2013 fortgesetzt. Einem Bericht im Epidemiologischen Bulletin (2013; 44: 449-453) zufolge werden knapp 4 von 5 aller in Deutschland gemeldeten Syphilis-Fälle über sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen.
Im Jahr 2012 wurden vom Robert-Koch-Institut (RKI) 4.410 Syphilis-Fälle bestätigt, fast ein Fünftel mehr als im Vorjahr. In den beiden Jahren zuvor hatte es einen ähnlichen Anstieg gegeben. Wurden im ersten Halbjahr 2010 monatlich durchschnittlich 249 Fälle gemeldet, so waren es im zweiten Halbjahr 2012 schon 379 Fälle im Monat – also ein Drittel mehr.
Die Lues tritt in Deutschland überwiegend bei Männern auf. Mit 93,3 Prozent ist der Anteil 14 Mal so hoch wie bei Frauen. Und unter den Männern sind es vor allem solche, die Sex mit Männern (MSM) haben. Da sich die „Szene“ auf die Großstädte konzentriert, ist die Inzidenz dort am höchsten. In Köln kamen 28,4 Neudiagnosen auf 100.000 Einwohner, gefolgt von München (22,9), Berlin (20,9), Essen (19,4), Frankfurt/M. (18,5), Münster (16,8), Düsseldorf (15,2), Hamburg (14,2) und Offenbach (13,9) – in ostdeutschen Städten ist die Inzidenz niedriger – noch. In Leipzig stieg sie innerhalb eines Jahres um 51,3 Prozent.
Einen noch höheren Anstieg gab es in Essen mit plus 113,5 Prozent. Er wird vom RKI allerdings weniger auf MSM, denn auf heterosexuelle Infektionen zurückgeführt. Als Ausgangspunkt werden hier Prostituierte vermutet. Anstiege der Inzidenzen gab es auch in Wuppertal und Mülheim an der Ruhr. In Dortmund hatte es in den Vorjahren einen kleinen Syphilis-Ausbruch gegeben.
Nicht alle Infektionen werden sofort bemerkt. Nur ein Drittel der Syphilis-Erkrankungen wurden 2012 im Primärstadium diagnostiziert. Häufig erfolgt die Diagnose erst im Sekundärstadium oder noch später. Bei Frauen lag der Anteil der Diagnosen im Tertiärstadium sogar bei 37 Prozent.
Anstecken können sich Menschen fast jeden Lebensalters. Der älteste Patient war 86 Jahre, die jüngsten 0 Jahre. In 2012 hat es trotz Screenings in der Schwangerschaft wieder 5 Fälle einer konnatalen Syphilis gegeben – solche Fälle waren auch in den Vorjahren immer wieder aufgetreten. Teilweise fallen Frauen durch das Netz, weil sie nicht krankenversichert sind oder während der Schwangerschaft keinen Arzt aufsuchen.
Das RKI weist darauf hin, dass Syphilis-Tests in der Schwangerschaft auch schwangeren Frauen ohne Krankenversicherung zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bieten viele Gesundheitsämter in ihren Beratungsstellen kostenfreie Tests auf Syphilis und andere sexuell übertragbare Erkrankungen (STI) an.
Ein wichtiges Thema sind Ko-Infektionen mit HIV. Eine gleichzeitige Syphiliserkrankung führt bei HIV-Infizierten zu einer Immunaktivierung, in deren Folge auch die HIV-Vermehrung zunimmt. Die Syphilis steigert dann das Risiko, das HI-Virus bei einem ungeschützten Geschlechtsverkehr zu übertragen.
Das RKI rät bei einer neu diagnostizierten Syphilis-Infektion immer einen HIV-Test anzubieten. Asymptomatische HIV-infizierte MSM mit wechselnden Partnern sollten sich regelmäßig auf Syphilis testen lassen und auf präventive Maßnahmen achten. Kondome sind laut RKI nach wie vor die einfachste und kostengünstigste Möglichkeit, sich vor beiden Erkrankungen (und anderen STI zu schützen).
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