Antibiotika bei akuter Sinusitis (weitgehend) wirkungslos

St Louis/Missouri – Eine Antibiotikatherapie der akuten unkomplizierten Rhinosinusitis, eine der häufigsten Gründe für den Antibiotikaeinsatz überhaupt, hat in einer randomisierten klinischen Studie im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2012; 307: 685-692) keine klinisch relevante Wirkung erzielt.
Eine Vereiterung der Nasennebenhöhlen kann sehr schmerzhaft sein. Die akute unkomplizierte Rhinosinusitis ist deshalb ein häufiger Anlass für Arztbesuche. Obwohl die Leitlinien zur Zurückhaltung auffordern, kommt es häufig zur Verordnung von Antibiotika. In den USA entfällt jede fünfte Verordnung von Antibiotika bei Erwachsenen auf die Indikation akute Rhinosinusitis, berichtet Jane Garbutt von der Washington University School of Medicine in St. Louis.
Dieser verbreiteten Gewohnheit steht ein gewisser Mangel an Evidenz gegenüber. Zwar seien mehr als 2.000 Studien über die antibiotische Therapie der akuten Rhinosinusitis veröffentlicht worden, heißt es in der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie. Doch nur wenige würden die durch das Cochrane-Board festgelegten Kriterien erfüllen.
Eine Ausnahme könnte die jetzt von Garbutt veröffentlichte Studie sein, die an zehn Hausarztpraxen in St. Louis durchgeführt wurde. Die Studie war randomisiert, das heißt die Auswahl der Behandlung wurde ausgelost.
Sie war doppelblind: Weder die Ärzte noch die 166 Teilnehmer wussten, ob die Tabletten, die sie über zehn Tage einnahmen Amoxicillin (auch in Deutschland ein Mittel der Wahl) enthielten oder Placebo. Die Diagnose der akuten unkomplizierten Rhinosinusitis wurde nach den Kriterien der Centers for Disease Control and Prevention gestellt: Die Patienten mussten über wenigstens 7 Tage, aber höchstens 28 Tage über Schmerzen im Bereich der Oberkiefers oder über ein Spannungsgefühl im Gesichtsbereich geklagt haben sowie unter eitrige Nasensekrete haben ohne Tendenz zur spontanen Besserung.
Alle Patienten hatten neben dem Antibiotikum (beziehungsweise Placebo) Medikamente zur symptomatischen Therapie von Schmerzen, Fieber, Husten und zum Abschwellen der Nasenschleimhaut erhalten. Fast alle machten auch davon Gebrauch: 92 Prozent im Amoxicillin-Arm und 90 Prozent in der Kontrollgruppe verwendeten wenigstens ein Medikament zur symptomatischen Therapie.
Diese Mittel könnten den Ausschlag für eine Besserung der Symptome gegeben haben, denn die Erholung war in beiden Armen der Studie gleich gut. Primärer Endpunkt der Studie war das Ausmaß der Beschwerden im Sinonasal Outcome Test-16 (SNOT-16). Der Fragebogen erkundigt sich an den Tagen 3, 7 und 10 nach 16 Symptomen, die mit 0 bis 3 Punkte bewertet werden.
An den Tagen 3 und 10 unterschieden sich die Ergebnisse im SNOT-16 nicht. Nur am Tag 7 gab es einen leichten Vorteil für die Antibiotika-Therapie. Der Unterschied war signifikant, er war aber nach Ansicht von Garbutt nicht relevant (0,19 Punkte auf der Skala von 0 bis 3 Punkten). Auch im sekundären Endpunkt der Symptomkontrolle gab es (nur) am Tag 7 einen Vorteil im Antibiotika-Arm: 74 Prozent berichteten über eine Linderung gegenüber 56 Prozent im Placebo-Arm. Drei Tage später, am Tag 10, gab es aber keine Unterschiede mehr.
Laut Garbutt gibt es mittlerweile gute Belege aus klinischen Studien, dass Antibiotika bei der unkomplizierten akuten Rhinosinusitis nur einen geringen oder gar keinen Vorteil gegenüber einer rein symptomatischen Therapie haben. Dennoch würden viele Patienten Antibiotika erwarten und ihre Ärzte sie ihnen auch verschreiben. Garbutt hebt lobend die Leitlinie des britischen National Institute for Health and Clinical Excellence (NICE) hervor, die sich für ein „watchful waiting“ ausspricht, bei der Antibiotika erst verordnet werden, wenn sich die Beschwerden nicht spontan bessern.
Die deutsche Leitlinie versucht den Einsatz zu begrenzen, indem sie Indikation zur Antibiotikatherapie vorgibt. Dazu zählen starke Beschwerden, Fieber >38,3°C, Verstärkung der Beschwerden im Laufe der Erkrankung, drohende Komplikation, Patienten mit chronisch entzündlicher Lungenerkrankung, immundefiziente bzw. immunsupprimierte Patienten und Patienten mit schweren Grundleiden oder besonderen Risikofaktoren.
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