Antibiotika können Abheilung von unkomplizierten Hautabszessen beschleunigen

Chicago – Eine begleitende systemische Behandlung mit Clindamycin oder Cotrimoxazol kann nach Inzision und Drainage die Abheilung unkomplizierter kleinerer Hautabszesse beschleunigen. Dies zeigen die Ergebnisse einer randomisierten kontrollierten Studie im New England Journal of Medicine (2017; 376: 2545-2555), die derzeitige Empfehlungen infrage stellen.
Kleinere Abszesse werden heute in der Regel allein chirurgisch behandelt. Inzision und Drainage führen meist innerhalb ein bis zwei Wochen zur Abheilung. Antibiotika werden nicht für notwendig erachtet, werden jedoch in der Praxis wegen der Gefahr einer weiteren Ausdehnung der Infektion häufig eingesetzt. Das US-National Institute of Allergy and Infectious Diseases hat jetzt in einer randomisierten Studie untersuchen lassen, ob die Antibiotika-Gabe die Abheilung beschleunigt.
An sechs US-Kliniken wurden 786 ambulante Patienten auf eine rein lokale Behandlung mit Inzision und Drainage oder auf die zusätzliche Gabe von Antibiotika randomisiert. Die Patienten waren im Durchschnitt 25 Jahre alt (ein Drittel waren Kinder oder Jugendliche). Die Abszesse hatten eine mittlere Tiefe von 1,64 cm und eine oberflächliche Ausdehung von 3,89 cm2. Kein Abszess war größer als 5 Zentimeter, bei 45 Prozent war er kleiner als zwei Zentimeter.
Die Patienten wurden auf drei Gruppen randomisiert. Die erste Gruppe erhielt ein Rezept für Clindamycin (300 mg dreimal täglich), die zweite wurde mit Cotrimoxazol (80 mg Trimethoprim plus 400 mg Sulfamethoxazol zweimal täglich) behandelt. An die dritte Gruppe wurden Medikamente ohne Wirkstoff ausgegeben. Die Behandlungsdauer war zehn Tage. Primärer Endpunkt war eine klinische Heilung 7 bis 10 Tage nach Beendigung der Behandlung.
Dieses Ziel wurde in der Clindamycin-Gruppe bei 221 von 266 Teilnehmern (83,1 Prozent) und in der Cotrimoxazol-Gruppe bei 215 von 263 Teilnehmern (81,7 Prozent) erreicht. Unter der Placebo-Behandlung heilen die Abszesse bei 177 von 257 Teilnehmern (68,9 Prozent) ab. In der „Per-Protokoll-Analyse“, die nur Patienten berücksichtigt, die die Behandlung beendet haben und zur Nachuntersuchung kamen, waren die Heilungsraten mit 92,9 Prozent in der Clindamycin-Gruppe und 92,7 Prozent in der Cotrimoxazol-Gruppe besser. Aber auch in der Placebogruppe erreichten 80,5 Prozent das Behandlungsziel.
Bei jedem zweiten Patienten wurden Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) im Abszess nachgewiesen. Die Heilungsraten betrugen hier 81,7 Prozent in der Clindamycin-Gruppe und 84,6 Prozent in der Cotrimoxazol-Gruppe gegenüber 62,9 Prozent in der Placebo-Gruppe (in der Per-Protokoll-Analyse: 92,1 Prozent, 94,0 Prozent und 76,0 Prozent).
Bei den Patienten mit Methicillin-empfindlichen Keimen erreichte Clindamycin eine Heilungsrate von 89,1 Prozent gegenüber 79,6 Prozent in der Cotrimoxazol-Gruppe und 65,9 Prozent in der Placebo-Gruppe. Dreizehn Personen wiesen S. aureus auf, die auf Clindamycin resistent waren. Unter den Patienten, bei denen keine S. aureus nachgewiesen wurden, waren die Ergebnisse in allen drei Gruppen gleich.
Die etwas bessere Abheilung wurde durch eine höhere Rate von Nebenwirkungen erkauft. Die Rate der behandlungsbedingten Nebenwirkungen lag in der Clindamycin-Gruppe bei 21,9 Prozent und in der Cotrimoxazol-Gruppe bei 11,1 Prozent gegenüber 12,5 Prozent in der Placebo-Gruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Durchfall (16,2 Prozent, 5,4 Prozent beziehungsweise 6,7 Prozent) und Übelkeit (2,3 Prozent, 4,2 Prozent beziehungsweise 2,4 Prozent). Bei einem Patienten in der Cotrimoxazol-Gruppe kam es zu einer Überempfindlichkeitsreaktion. Alle Patienten erholten sich ohne Folgen von den Nebenwirkungen. Schwere Komplikationen, etwa eine Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhö, sind in keinem Fall aufgetreten.
Bei einer Nachuntersuchung nach einem Monat war es in der Clindamycin-Gruppe bei 6,8 Prozent zu einem Rezidiv gekommen gegenüber 13,5 Prozent in der Cotrimoxazol-Gruppe und 12,4 Prozent in der Placebo-Gruppe.
Insgesamt verbesserte die Antibiotika-Behandlung die Chance auf eine initiale Abheilung um 12 bis 13 Prozentpunkte. Der Vorteil war allerdings allein auf Patienten mit S. aureus-Infektionen begrenzt. Clindamycin war Cotrimoxazol gleichwertig.
Für Robert Daum vom University of Chicago Medical Center liefern die Ergebnisse insgesamt gute Argumente für den primären Einsatz von Antibiotika bei ambulanten Patienten mit unkomplizierten Abszessen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: