Antibiotikum mit Potenzial als Krebsmedikament

Saarbrücken/Hannover – Das Antibiotikum Carolacton könnte schnell wachsende Krebszellen in ihrem Wachstum bremsen. Es hemmt ein Schlüsselenzym, das Krebszellen deutlich mehr benötigen als gesunde Zellen. Ihre In-vitro-Ergebnisse veröffentlichten die Forscher vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) im Fachjournal Nature Communications (2017; doi: 10.1038/s41467-017-01671-5).
Der Naturstoff Carolacton wird von im Boden lebenden Mikroorganismen gebildet und hat antibiotische Eigenschaften. „Carolacton kann wichtige Prozesse in Bakterien stören und so auch die Biofilmbildung von Streptococcus mutans, dem Hauptverursacher von Zahnkaries, reduzieren“, sagt Rolf Müller, Leiter der Abteilung Mikrobielle Naturstoffe und Geschäftsführender Direktor am HIPS. „Gleichzeitig ist Carolacton ein Wachstumsinhibitor von Streptococcus pneumonieae, einem der lebensbedrohlichsten Mikroorganismen.“
In den Modellorganismen Escherichia coli und Streptococcus pneumoniae identifizierten die Forscher um Chengzhang Fu und Müller ein noch unbekanntes molekulares Ziel des Wirkstoffs: Carolacton kann das Schlüsselenzym FolD des C1-Stoffwechsels hochspezifisch binden und es dadurch ausschalten.
FolD ist an der Bildung von Folsäure im C1-Stoffwechsel beteiligt. Dieser Stoffwechselweg kommt in den meisten Lebewesen vor und ist essenziell für ihr Wachstum, da zum Beispiel Nukleinsäuren, Aminosäuren und Provitamine darüber hergestellt werden. Das gilt auch für Menschen, weshalb Carolacton als Antibiotikum kaum einsetzbar ist. Allerdings benötigen auch schnell wachsende Krebszellen das Zielenzym verstärkt.
Dadurch eröffnet sich eine neue Einsatzmöglichkeit. „Das Schlüsselenzym wird in vielen Tumorzellen übermäßig produziert. Wir konnten in ersten Experimenten hemmende Effekte bei verschiedenen getesteten Krebszelllinien zeigen“, sagt Müller. „Carolacton wäre daher ein sehr guter Ausgangspunkt für den Einsatz als Inhibitor in der Krebstherapie. Zukünftig müssen aber die pharmazeutischen Eigenschaften des Moleküls optimiert werden.“
Die Forschungsarbeiten wurden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Systembiologieprogramm ebio gefördert und auch im Rahmen des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) durchgeführt.
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