Medizin

„Antisense“-Mittel senkt Lp(a) um bis zu 99 Prozent

  • Freitag, 23. September 2016

La Jolla – Ein Antisense-Oligonukleotid, das die Produktion von Lipoprotein(a) in der Leber blockiert, hat in ersten klinischen Studien im Lancet (2016; doi: 10.1016/S0140-6736(16)31009-1) die Serumkonzentration des unabhängigen kardiovaskulären Risikofaktors deutlich gesenkt.

Antisense-Oligonukleotide sind kurze synthetische Gene, die sich in Zellen mit komplementären Genen paaren und damit deren weitere Nutzung verhindern. Das erste Beispiel ist das Virustatikum Fomivirsen, das 1999 zur Behandlung von Aids-Patienten mit Cytomegalie-Viren-Infektionen zugelassen wurde. Um an den Ort seiner Wirkung zu gelangen, muss Fomivirsen in den Glaskörper des Auges injiziert werden. Moderne Antisense-Oligonukleotide erreichen auch bei subkutaner Injektion ihr Ziel. Sie werden derzeit für eine Reihe von Erkrankungen entwickelt. Im Prinzip kann auf der Ebene der Boten-RNA durch ein Antisense-Oligonukleotid die Bildung jedes beliebigen Proteins gestoppt werden.

Der Hersteller Akcea, eine Tochter von Ionis Pharmaceuticals aus Carlsbad in Kalifornien, hat ein Antisense-Oligonukleotid entwickelt, das in der Leber die Produktion von Lipoprotein(a), kurz Lp(a) hemmt. In der ersten klinischen Studie wurden 64 Patienten behandelt, deren Lp(a)-Konzentrationen deutlich erhöht waren. In einer ersten Kohorte lagen die Lp(a)-Werte zwischen 125–437 nmol/l, in der zweiten Kohorte noch höher. Normal sind Werte von unter 75 nmol/l. 

Der Lp(a)-Wert ist genetisch festgelegt und durch eine Diät kaum zu beeinflussen. Patienten mit erhöhten Konzentrationen haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko. Eine häufige Folge ist eine Aortenstenose. Bislang gab es keine gute medikamentöse Therapie. Nikotinsäure erzielt zwar eine gewisse Absenkung. Normalwerte werden jedoch in der Regel nicht erreicht. Patienten mit extrem hohen Lp(a)-Werten müssen sich deshalb regelmäßig einer Lipoprotein-Apherese unterziehen, ein relativ aufwändiges Verfahren, für das die Patienten ein Behandlungszentrum aufsuchen müssen.

Ein Antisense-Oligonukleotid, das einmal wöchentlich subkutan injiziert werden kann, wäre sicherlich eine willkommene Alternative, wenn die Behandlung denn sicher und effektiv sein sollte. An der Effektivität kann angesichts der jetzt vom Team um Sotirios Tsimikas, Universität von San Diego in La Jolla, vorgestellten Daten kaum gezweifelt werden. Die Lp(a)-Werte gingen unter den wöchentlichen Injektionen mit „IONIS-APO(a)Rx“ um 67 bis 72 Prozent zurück, in Einzelfällen sogar um 94 Prozent. Damit ließen sich auch Patienten mit extrem hohen Lp(a)-Werten behandeln.

Der Hersteller hat sein Präparat weiter verbessert. Durch Kopplung an eine N-Acetylgalactosamin-Gruppe wurde die Aufnahme in die Leberzellen gesteigert. In einer zweiten klinischen Studie wurden 60 gesunde Probanden mit leicht erhöhten Lp(a)-Werten (über 175 nmol/l) mit dem jetzt „IONIS-APO(a)-LRx“ genannten Präparat in unterschiedlicher Dosierung behandelt. Unter der höchsten Dosierung wurden die Lp(a)-Werte um 92 Prozent gesenkt (bis zu 99 Prozent laut der Pressemitteilung des Herstellers).

Die Verträglichkeit war dem Vernehmen nach gut. Zwei Herzinfarkte, darunter einer im Placeboarm, standen laut Tsimikas nicht mit der Behandlung in Beziehung.

rme

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