Apallisches Syndrom: Patient zeigt Aufmerksamkeit im EEG

Cambridge – Britische Neurologen haben bei einem Patienten mit appallischem Syndrom („Wachkoma“) EEG-Signale gefunden, die auf eine aktive Aufmerksamkeit des Gehirns hinweisen. Sie sehen in Neuroimage Clinical (2013; 3: 450-461) die Möglichkeit, aktiv mit einzelnen Wachkoma-Patienten zu kommunizieren.
Der 23 Jahre alte Mann hatte vier Monate zuvor ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Er befand sich in einem „vegetative state“, das heißt, er war wach, zeigte aber keine sichtbaren Reaktionen auf Reize seiner Umgebung. Er gehörte zu einer Gruppe von 21 Wachkoma-Patienten, die am Medical Research Council Cognition and Brain Sciences Unit an der Universität Cambridge untersucht wurden: Bei sieben Patienten war ein „vegetative state“ diagnostiziert worden. Sie zeigten keinerlei zielgerichtete Reaktionen, bei 12 weiteren Patienten diagnostizierten die Ärzte ein „minimally conscious state“. Diese Patienten reagieren manchmal auf bestimmte Anweisungen, etwa durch Augenbewegungen.
Bei allen Probanden wurden sogenannte ereigniskorrelierte Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) abgeleitet. Srivas Chennu und Mitarbeiter interessierten sich dabei vor allem für die sogenannte P300-Welle, die mit etwa 300 Millisekunden Verzögerung nach einem externen Reiz auftritt.
Die P300-Welle wird unterteilt in zwei Formen: Eine frühe P3a-Welle ist eine direkte Reaktion des Gehirns auf den externen Reiz („bottom-up“). Sie kann auch bei Probanden ohne aktives Bewusstsein ausgelöst werden. Die spätere P3b-Welle („top-down“) dagegen zeigt an, dass das Gehirn den Reiz aktiv verarbeitet hat, was als bewusste Reaktion verstanden werden kann.
Um diese Aufmerksamkeit zu erzeugen, sollten die Probanden sich eine Reihe von Worten anhören und dabei auf das Auftreten der Worte „Ja“ und „Nein“ achten. Diese Zielworte lösten bei dem 23-jährigen Mann im „vegetative state“ P3b-Wellen im EEG aus, die sich nicht von den P3b-Wellen der acht gesunden Probanden unterschieden.
Chennu geht deshalb davon aus, dass der Patient die Aufgabenstellung verstanden hat. Drei weitere Patienten mit „minimally conscious state“ zeigten ebenfalls P3b-Wellen, die aber nicht klar an die Erkennung der Worte im Test gebunden waren und deshalb als Zufallsergebnis gedeutet wurden.
Der Patient bestand noch einen weiteren Test. Dabei wird in einem Kernspintomographen die Hirnaktivität in der supplementär-motorischen Rinde bestimmt, während der Proband sich vorstellt, aktiv Tennis zu spielen. Eine vermehrte Aktivität ist ein Hinweis, dass der Patient den Anweisungen der Untersucher gefolgt ist. Diesen Test hatten zuvor schon zwei Patienten im „vegetative state“ bestanden, über die die Forscher vor drei Jahren berichteten (NEJM 2010; 362: 579-589).
Eine Patientin war damals sogar in der Lage, Fragen mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten. Die funktionelle Kernspintomographie stellt jedoch hohe technische Hürden und ist deshalb im klinischen Alltag kaum praktikabel. Eine EEG-Ableitung ist technisch wesentlich einfacher und im Krankenzimmer möglich. Ob sie allerdings eine „echte“ Kommunikation erlaubt, in welcher der Patient aktive Entscheidungen trifft, müsste erst noch in weiteren Studien belegt werden.
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