Arzneimittelausgaben steigen langsamer

Köln – Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im Jahr 2010 32,03 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Das sind 330 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Wie aus dem Arzneiverordnungs-Report (AVR) 2011 hervorgeht, lag die Steigerungsrate damit bei einem Prozent und somit deutlich niedriger als in den Vorjahren. Krankenhauskosten stiegen im selben Zeitraum um 4,5 Prozent auf 58,82 Milliarden Euro und die Ausgaben für die ambulante ärztliche Leistung um 2,1 Prozent auf 33,04 Milliarden Euro.
„Der Anteil der Arzneimittel an den gesamten Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung war somit erstmals seit vielen Jahren wieder rückläufig“, erklärte einer der Herausgeber des Arzneiverordnungsreports, Ulrich Schwabe, heute bei der Präsentation des AVR in Berlin.
Grund dafür sei unter anderem der Anstieg des Herstellerrabatts für Arzneimittel ohne Festbetrag von sechs auf 16 Prozent bei gleichzeitig geltendem Preismoratorium, der mit dem GKV-Änderungsgesetz im August letzten Jahres in Kraft getreten sei.
„Daneben spielen erneute Preisrückgänge bei den Generika und die Rabattverträge mit den pharmazeutischen Unternehmen eine Rolle“, so Schwabe. Insgesamt 1,3 Milliarden Euro hätten durch die Rabattverträge eingespart werden können.
Ein stetig steigender Kostenblock seien demgegenüber die patentgeschützten Arzneimittel. „Seit 1993 sind die Umsätze der Patentarzneimittel von 1,7 Milliarden Euro auf 14,2 Milliarden Euro angestiegen und machen jetzt 48 Prozent des Arzneimittelumsatzes aus,“ erklärte Schwabe.
Rechne man die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen wie die Herstellerabschläge und Rabattverträge heraus, sei der sogenannte nominale Umsatz mit Arzneimitteln um 4,3 Prozent auf 29,7 Milliarden Euro gestiegen, sagte der zweite Herausgeber des AVR, Dieter Paffrath. Ursächlich dafür sei ausschließlich die sogenannte Strukturkomponente, also ein Verordnungswechsel hin zu einem teureren Präparat. „Denn sowohl die Menge der verordneten Arzneimittel als auch deren Preis sind 2010 gleich geblieben“, so Paffrath.
Insgesamt sehen die Herausgeber des AVR aktuell ein theoretisches Einsparvolumen im Arzneimittelmarkt von 4,7 Milliarden Euro, das „ohne Einbußen in der Versorgungsqualität erreicht werden könnte, wenn konsequent auf teure patentgeschützte Analogpräparate und Arzneimittel mit umstrittener Wirkung verzichtet würde und wenn konsequent preiswerte Generika verordnet werden würden“, so Paffrath. Denn trotz der erreichten Einsparungen im Generikamarkt könnten noch weitere 1,6 Milliarden Euro eingespart werden, wenn stets jeweils das günstigste Generikum verordnet würde.
Die Bundesregierung sei mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) einen mutigen Schritt gegangen, um die Preissteigerungen bei neuen, teuren Arzneimitteln einzudämmen, sagte der designierte Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann. Das Anfang des Jahres in Kraft getretene Gesetz zeige bereits erste Erfolge.
Denn der Pharmahersteller Novartis habe, noch bevor die erste Nutzenbewertung vorliege, seinen im Mai dieses Jahres eingeführten Blutdrucksenker Rasilamlo mit der Begründung wieder vom Markt genommen, dass es Verfahrensprobleme gebe, sodass man sich der Prüfung auf einen Zusatznutzen nicht stellen könne.
Und auch Merckle Recordati habe für sein Produkt Livazo auf eine Nutzenbewertung verzichtet und damit ebenfalls eingestanden, dass sein Präparat keinen Zusatznutzen gegenüber bereits verfügbaren Präparaten habe. „Wer von der Qualität und Innovationskraft seines Produktes überzeugt ist, handelt anders“, so Graalmann.

Leonard Hansen, ehemaliger Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und nun Mitglied im Schiedsamt AMNOG, erklärte, der AVR belege eindrucksvoll, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sich so schnell wie möglich auch dem Bestandsmarkt zuwenden müsse. Bislang befasst sich der G-BA ausschließlich mit innovativen Arzneimitteln, die neu im Markt eingeführt werden. Perspektivisch sollen aber auch diejenigen patentgeschützten Arzneimittel auf einen Zusatznutzen untersucht werden, die bereits auf dem Markt sind. „Dort schlummern Einsparpotenziale von einer Milliarde Euro allein bei den zehn umsatzstärksten Präparaten und mehr als vier Milliarden Euro im gesamten deutschen Patentmarkt“, so Hansen.
Der Arzneiverordnungs-Report basiert auf den Verordnungsdaten des GKV-Arzneimittelindexes, der vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellt wird. Neben der allgemeinen Marktentwicklung beleuchtet der AVR auch die Entwicklung bei 40 Indikationsgruppen und gibt Verordnungsempfehlungen.
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