Arzneimittelhersteller sollten bei Studienplanung früh an Nutzenbewertung denken

Köln/Berlin – Auf methodische Probleme bei der Studienplanung hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hingewiesen. Dabei geht es um zwei Arzneimittel, in denen die Wirkstoffe zwar Wirkungen zeigten, die Behandlung in den Vergleichsarmen der Studien aber hinter den heutigen Versorgungsstandards zurückblieb.
Sie entsprachen damit nicht der zweckmäßigen Vergleichstherapie, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für die jeweilige frühe Nutzenbewertung festgelegt hatte– und das IQWiG konnte folglich auch keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie attestieren.
Emicizumab bei Hämophilie A
Bei dem ersten Präparat handelt es sich um den monoklonalen Antikörper Emicizumab. Er ist für Patienten mit Hämophilie A und Faktor-VIII-Hemmkörpern zugelassen, und zwar nur zur Routineprophylaxe – nicht zur Akutbehandlung im Bedarfsfall, also etwa nach einem Stoß oder Sturz.
Der Hersteller postuliert einen Zusatznutzen und begründet das unter anderem mit einem randomisierten kontrollierten Vergleich zwischen Emicizumab und einer Bedarfsbehandlung. Der G-BA hat aber ausdrücklich eine Routineprophylaxe – und eben nicht Bedarfsbehandlung – zur zweckmäßigen Vergleichstherapie bestimmt, da diese nach derzeitigem Wissensstand Vorteile gegenüber einer Bedarfsbehandlung habe. Daher lässt sich aus dem vorliegenden Studienmaterial laut IQWiG kein Zusatznutzen ableiten.
Glycopyrroniumbromid bei erhöhtem Speichelfluss
Bei einem weiteren Mittel geht es um Kinder und Jugendliche mit einer chronischen neurologischen Erkrankung wie einer Zerebralparese. Bislang war für diese Indikation in Deutschland kein Arzneimittel zugelassen. Therapien, die das Herunterschlucken des Speichels fördern, können aber zu Verbesserungen führen – etwa Logopädie und Ergotherapie. Als zweckmäßige Vergleichstherapie hat der G-BA daher eine „Best supportive Care“ (BSC) festgelegt, also eine unterstützende, auf die einzelnen Patienten abgestimmte Behandlung zur Linderung der Symptome.
Der Hersteller des neuen Wirkstoffs Glycopyrroniumbromid führt für den postulierten Zusatznutzen zwei placebokontrollierte randomisierte Studien und eine weitere Studie an. In den Studienunterlagen deutet laut IQWiG aber nichts darauf hin, dass die Kinder und Jugendlichen eine unterstützende Begleitbehandlung erhalten haben. Folglich ist laut dem Institut auch kein Zusatznutzen ableitbar.
„Die Patienten in den Vergleichsarmen der Studien haben nicht die bestmögliche Behandlung erhalten, nämlich eine Prophylaxe bei der Hämophilie und beispielsweise Logopädie oder Ergotherapie bei der Sialorrhö. Solche Studien sind grundlegend ungeeignet für die Ableitung eines Zusatznutzens“, bedauerte Stefan Lange, stellvertretender Leiter des IQWiG.
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