Ärzte drängen auf Klarstellungen bei Übertragung heilkundlicher Aufgaben im Pflegekompetenzgesetz

Berlin – Mit dem Pflegekompetenzgesetz will die Bundesregierung entsprechend qualifizierten Pflegefachpersonen erlauben, heilkundliche Tätigkeiten auszuüben, die bislang Ärzten vorbehalten sind. Dazu zählt zum Beispiel die Versorgung von Wunden. Aus der Ärzteschaft kommen dazu eine Reihe von Anregungen.
Die Bundesärztekammer (BÄK) sieht „die Intention des Gesetzgebers, eine qualifikatorisch gestufte pflegerische Versorgung einzuführen“ grundsätzlich positiv, wie sie in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Pflegekompetenzgesetzes schreibt.
Sie weist jedoch zugleich darauf hin, dass bei der Ausweitung der heilkundlichen Tätigkeiten in den Pflegeberufen die Grenze zu den ärztlichen Kernkompetenzen nicht überschritten werden dürften.
Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), GKV-Spitzenverband und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) bis zum 31. Juli 2028 festlegen, welche Leistungen der ärztlichen Behandlung Pflegefachpersonen im Krankenhaus eigenständig übernehmen dürfen, sowie Rahmenvorgaben für die Zusammenarbeit zwischen Pflege und Ärzten definieren.
Grundlage dafür sollen Regelungen aus der vertragsärztlichen Versorgung bilden, die bis zum 31. Juli 2027 zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV), GKV-Spitzenverband und Pflegeorganisationen vereinbart werden sollen. In beiden Verfahren hat unter anderem die BÄK das Recht, Stellung zu nehmen und an den Sitzungen der Vertragspartner teilzunehmen.
BÄK: Rolle der Pflegenden klarer definieren
Die Bundesärztekammer betont dazu, es müsse gewährleistet sein, „dass die Interessenvertretungen der am Patienten tätigen Berufsgruppen ein Antrags- und Mitberatungsrecht in den Sitzungen erhalten“.
Ziel müsse es sein, die für die Patientenversorgung besten Festlegungen zu treffen und für sektorenübergreifende Festlegungen ein gemeinsames Vorgehen zu etablieren. Die Bundesärztekammer könne als wichtige Schnittstelle wirken und das Erfahrungswissen und den medizinisch-fachlichen Sachverstand sektorenübergreifend einbringen, heißt es in der Stellungnahme.
Das Pflegekompetenzgesetz sieht konkret „die Vorbereitung einer wissenschaftlich fundierten, systematischen Entwicklung, Begründung und Beschreibung pflegerischer Aufgaben (Muster-Scope of Practice)“ vor sowie die grundsätzliche Zuschreibung von entsprechenden Kompetenzen zu Qualifikationsgraden. „Das sei ein wichtiger Schritt, um die Rolle und die Verantwortlichkeiten von Pflegefachpersonen klarer als bisher zu definieren“, lobt die BÄK.
Positiv bewertet sie zudem den vorgesehenen Ausbau regionaler Netzwerke, um pflegende An- und Zugehörige zu entlasten und Menschen möglichst lange in der gewohnten Umgebung versorgen zu können. Allerdings sollten Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf die „lokalen Formen der Zusammenarbeit“ mit einbezogen werden.
MB: Rahmenbedingungen verbessern
Der Marburger Bund (MB) mahnt in seiner Stellungnahme eine Verringerung des anhaltenden Drucks auf alle Berufsgruppen an und nicht das reine Verschieben bestimmter Aufgaben von einem Mangelberuf auf den anderen.
Insofern sei es fraglich, ob das erklärte Ziel des Gesetzentwurfs, sowohl Pflegefachpersonen als auch Ärztinnen und Ärzte zu entlasten, mit den geplanten Maßnahmen überhaupt erreicht werden könne, erklärt der MB.
Der demografische Wandel und der sich weiter verstärkende Fachkräftemangel im medizinischen und pflegerischen Bereich erforderten strukturelle Veränderungen. Die beruflichen Rahmenbedingungen von Pflegenden wie von Ärzten müssten gleichermaßen verbessert werden.
Hausärzte begrüßen Ziele des Gesetzes
Auch der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) begrüßt in seiner Stellungnahme grundsätzlich die Ziele des Gesetzes: „Insbesondere, die Rahmenbedingungen für die professionellen Pflegenden dahingehend zu verbessern, dass die an der Pflege beteiligten Akteure ihren gesetzlichen Auftrag einer leistungsfähigen, regional gegliederten, ortsnahen und aufeinander abgestimmten pflegerischen Versorgung der Bevölkerung besser erfüllen können“.
Dazu zählten verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel der Ausbau der Befugnisse von Pflegefachpersonen – abgestuft nach der jeweils vorhandenen Qualifikation – und weitere Delegationsmöglichkeiten für Ärzte sowie die Förderung einer kompetenzorientierten sowie teambasierten Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams unter anderem zur Entlastung der Ärzte.
Keine Substitution ärztlicher Leistungen
Auch die Neuregelungen zur eigenverantwortlichen Erbringung von Leistungen durch Pflegefachpersonen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und zur eigenverantwortlichen Verordnung häuslicher Krankenpflege durch Pflegefachpersonen begrüßt der HÄV grundsätzlich, fordert aber eine Klarstellung.
Es sei zu begrüßen, dass Pflegefachpersonen erst nach ärztlicher Diagnose und Indikationsstellung die ihnen zugedachten heilkundlichen Leistungen erbringen dürften, heißt es in der Stellungnahme. Gleichwohl müsse im Gesetzeswortlaut klargestellt werden, dass damit lediglich Delegations- und keine Substitutionsmöglichkeiten eingeführt werden sollten.
„In beiden Fällen werden zwar Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Befugnisse von einer Person auf eine andere übertragen“, so der HÄV.
„Bei der Delegation bleibt aber die Gesamtverantwortung für den Behandlungsverlauf weiterhin bei der delegierenden Ärztin/dem delegierenden Arzt, die/der auch über die erforderliche medizinische Kompetenz verfügt, einen Überblick über sämtliche Diagnosen und Behandlungen hat und das Haftungsrisiko trägt. Eine Substitution von Leistungen wird seitens des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes abgelehnt, um unnötige und kostenintensive Doppelstrukturen zu vermeiden.“
Pflegerat fordert mehr Eigenständigkeit
Der Deutsche Pflegerat (DPR) begrüßt den Referentenentwurf des Pflegekompetenzgesetzes als wichtigen Schritt zur Stärkung der Pflegeberufe. „Der Entwurf zeigt: Pflegefachpersonen sind qualifiziert, kompetent und übernehmen eigenverantwortlich Aufgaben in einer modernen, multiprofessionellen Gesundheitsversorgung“, kommentiert DPR-Präsidentin Christine Vogler.
„Es wird anerkannt, dass Pflegefachpersonen nicht nur auf ärztliche Anordnung hin arbeiten, sondern über eigene, fundierte Kompetenzen verfügen, die für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbar sind.“ Bedauerlich sei allerdings, dass viele der vorgesehenen pflegerischen Leistungen weiterhin zu stark an ärztliche Diagnosen orientiert blieben und eine eigenständige heilkundliche Ausübung verhinderten.
„Pflegefachpersonen müssen entsprechend ihrer Qualifikation pflegefachlich und -wissenschaftlich fundierte, heilkundliche Handlungs- beziehungsweise Aufgabenfelder eigenverantwortlich ausüben können“, fordert der DPR.
Das Pflegekompetenzgesetz dürfe nicht bei der Teilübernahme ärztlicher Aufgaben stehenbleiben: Das Verständnis professionellen Pflegehandelns und die Qualifikationsniveaus der Profession müssten vollumfänglich berücksichtigt werden. Nur so könne die notwendige Autonomie der Pflegeberufe und damit auch ihre Anerkennung gestärkt werden.
„Bedeutender Schritt zur Stärkung der Pflege“
Der Katholische Krankenhausverband Deutschland bewertet es als „einen sehr bedeutenden Schritt zur Stärkung der professionellen Pflege“, dass die Ausführung heilkundlicher Aufgaben durch Pflegefachpersonen gesetzlich verankert werden soll.
„Schon heute übernehmen Pflegefachleute Verantwortung in hochkomplexen Versorgungssituationen“, betonte die Geschäftsführerin des Verbandes, Bernadette Rümmelin. „Das Gesetz gibt ihnen nun eine rechtliche Grundlage, um diese Aufgaben eigenverantwortlich im Sinne einer qualitativ hochwertigen Patientenversorgung auszuführen.“
Wichtig sei dabei die Klarstellung, dass heilkundliche Kompetenzen nicht allein über ein Studium, sondern auch durch qualifizierte Weiterbildungen und berufliche Erfahrung erworben werden könnten. Diese Durchlässigkeit sei ein starkes Signal an die Praxis und stärke das Erfahrungswissen der Pflegenden.
„Mit Blick auf die Arbeit im Krankenhaus ist es nun sinnvoll, einen Leistungskatalog sowie verbindliche Rahmenvorgaben für die Zusammenarbeit zwischen Pflege und ärztlichem Dienst zu entwickeln“, so Rümmelin.
„Durch eine strukturierte und transparent geregelte Aufgabenverteilung lassen sich pflegerische und ärztliche Kompetenzen wirksam aufeinander abstimmen.“ Dies mache Prozesse effizienter und trage entscheidend zu einer gesteigerten Qualität der Versorgung bei.
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