Ärzte sollen Cannabis nur noch persönlich verordnen dürfen

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will den florierenden Onlinehandel mit Medizinalcannabis unterbinden. Ein Referentenentwurf, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, sieht dafür ein Fernverschreibungs- und Versandverbot vor.
Seit der Teillegalisierung von Cannabis zum Freizeitgebrauch und der Streichung von der Betäubungsmittelliste im vergangenen Jahr boomen Onlineportale, die die Droge auf Privatrezepten an Selbstzahler verkaufen. Dabei ist es oft ausreichend, einen Fragebogen auszufüllen, um eine Verordnung zu erhalten und die Ware auf dem Postweg zugesendet zu bekommen.
Das Phänomen ist so weit verbreitet, dass es sich in großem Maße in den Importmengen niederschlägt. So verweist der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes auf Zahlen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wonach der Import von Medizinalcannabisblüten vom ersten zum zweiten Halbjahr 2024 um 170 Prozent gestiegen sei.
Die Zahl der Verordnungen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hingegen sei im gleichen Zeitraum nur um neun Prozent gestiegen.
„Diese Inkongruenz legt nahe, dass die steigenden Importzahlen insbesondere der Belieferung einer zunehmenden Anzahl an Privatrezepten von Selbstzahlern außerhalb der GKV-Versorgung dienen“, heißt es in dem Entwurf. Wie Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) bereits Ende Mai angekündigt hat, will die Bundesregierung nun gegen diesen mutmaßlichen Missbrauch vorgehen.
Deshalb soll die Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken künftig nur nach einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in der Arztpraxis oder im Rahmen eines ärztlichen Hausbesuches erfolgen. „Damit wird eine ausschließliche Behandlung im Rahmen der Videosprechstunde ausgeschlossen“, heißt es im Entwurf.
Das absolute Fernbehandlungsverbot in der Musterberufsordnung der Ärzte (MBO-Ä) sei zwar 2018 gestrichen worden. Allerdings entbinde dies Ärzte nicht von der Verpflichtung zu einer sorgfaltsgerechten Behandlung anhand anerkannter fachlicher Standards. Bei einer Verschreibung von Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken allein aufgrund einer schriftlichen Anamnese sei dies in der Regel nicht gegeben.
Aufgrund der Suchtgefahr sowie weiterer Gesundheitsrisiken, Nebenwirkungen und unerwünschter Arzneimittelwirkungen sei vielmehr ein persönlicher ärztlicher Kontakt mit der zu behandelnden Person sinnvoll und geboten.
Da Cannabisblüten keine arzneimittelrechtliche Zulassung für ein bestimmtes Anwendungsgebiet hätten, lägen die Möglichkeiten, sie zu medizinischen Zwecken trotz fehlender Zulassung zu verschreiben, im Rahmen der ärztlichen Therapiefreiheit – es handele sich um sogenannte individuelle Heilversuche.
Damit gingen für die verschreibenden Ärzte aber erhöhte Sorgfaltspflichten einher, um eine sichere und wirksame Anwendung bei der Patientin oder dem Patienten zu gewährleisten.
Bei Folgeverschreibung ist dem Entwurf zufolge eine Konsultation pro vier Quartale vorgesehen. Handelt es sich um Gemeinschaftspraxen müssten Folgerezepte dann aber nicht zwangsläufig von demselben Arzt, aber in derselben Arztpraxis ausgestellt werden.
Weiterhin soll der Versand von Cannabis an Endverbraucher unterbunden werden. Wegen der Vielzahl der mit Cannabisblüten verbundenen Besonderheiten würden umfassende Aufklärungs- und Beratungspflichten – beispielsweise zu Suchtgefahr und Gesundheitsrisiken – bestehen, die im Rahmen einer persönlichen Beratung in der Apotheke erfolgen müssten.
„Wegen der Risiken und Gefahren ist das Inverkehrbringen im Wege des Versandes mit Blick auf die Patientensicherheit nicht sachgerecht“, heißt es weiter im Entwurf. Stattdessen müsse pharmazeutisches Personal die Patienten vor Ort, also in der Apotheke, unter anderem über sachgerechte Anwendung, eventuelle Neben- oder Wechselwirkungen sowie auf die sachgerechte Aufbewahrung oder Entsorgung beraten und aufklären.
Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) begrüßt den Schritt ausdrücklich. „Arzneimittel sind keine handelsüblichen Konsumgüter und gehören nicht auf rein kommerziell ausgerichtete Handelsplattformen“, sagte ABDA-Präsident Thomas Preis. Nach Informationen des Deutschen Ärzteblatts erbittet das Ministerium von den betroffenen Verbänden eine Stellungnahme bis zum 1. August.
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