Arzthaftung in Zeiten der Rationierung
Die Vermutung, die Bundesärztekammer und ihr Präsident Jörg-Dietrich Hoppe, habe die neue Rationierungdebatte los getreten, um eine Drohkulisse aufzubauen (dazu der blog: Patienten sortieren), muss relativiert werden.
Zwar ist Rationierung bedrohlich für die ärztliche Therapiefreiheit, ganz zu schweigen vom Patientenwohl, und Rationierung bleibt auch bedrohlich, wenn sie in der eleganteren Weise der Priorisierung daher kommt, doch der Deutsche Ärztetag (vom 19. bis 22. Mai in Mainz) hat sich scheint´s mit den Verhältnissen abgefunden und die Mitwirkung der Ärzteschaft an gesundheitspolitischen Priorisierungentscheidungen bekundet.
Dabei gilt es, die Ärzteschaft im Spiel zu halten, ohne aber für die hässlichen Auswirkungen direkt verantwortlich gemacht zu werden. Daher die erneute Forderung nach einem Gremium, dem Gesundheitsrat, in dem die Ärzte zusammen mit anderen Gruppierungen entscheiden, wie zu priorisieren ist. Man wird sehen. Bisher wurde der Schwarze Peter zwischen Ärzten und Politikern hin und her geschoben und de facto in Klinik und Praxis pragmatisch priorisiert/rationiert.
Haftungsrechtlich sind Rationierung und Priorisierung nach wie vor riskant. Denn der Bundesgerichtshof misst, wie es in Mainz der Kölner Medizinrechtler Christian Katzenmeier formulierte, ökonomischen Gesichtspunkten kaum Bedeutung zu.
Denn für die Rechtsprechung rangieren Patientensicherheit und -wohl obenan. Das hat zu einem kostspieligen Sicherheitsverhalten in der Medizin geführt. Katzenmeier beschrieb in Mainz den Sachverhalt zwar genau, skizzierte aber auffalllend vorsichtig die Lösungsansätze.
Um´s platt zu sagen: der Stein der Weisen war nicht dabei. Katzenmeiers Alternativen, um das Spannungsverhältnis zwischen Sorgfalts- und Wirtschaftlichkeitsgebot aufzulösen: 1. Absenkung des Sorgfaltsmaßstabs aus Gründen der sozialrechtlichen Leistungsbegrenzung. 2. Kompensation der Sorgfaltsminderung durch ergänzende Aufklärungspflichten. 3. Leitlinien. Und (an letzter Stelle) 4. Priorisierung.
Unter Juristen scheint Alternative 2, genannt "informationsbezogene Harmonisierung", noch am ehesten Fürsprecher zu haben. Übersetzt für den ärztlichen Alltag bedeutet der abstrakte Begriff: der Arzt muss dem Patienten erklären, was alles medizinisch möglich ist, warum die Kasse nicht alles bezahlt und wo das mögliche Risiko steckt. Laut Katzenmeier kann das das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt zerstören. Wie wahr.
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