Ärztliche Selbstverwaltung zur Bewältigung gesundheitspolitischer Herausforderungen nutzen

Leipzig – Die Bedeutung der ärztlichen Selbstverwaltung sowie des Hartmannbundes bei der Bewältigung aktueller und künftiger Herausforderungen der Gesundheitspolitik wurde am vergangenen Samstag im Rahmen der Jubiläumsfeier des ärztlichen Verbandes beleuchtet.
125 Jahre nach seiner Gründung durch Hermann Hartmann am Gründungsort Leipzig würdigten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesundheitswesen in einem Festakt in der Alten Börse Leipzig die Rolle des Hartmannbundes bei der Vertretung ärztlicher Interessen, warfen dabei aber auch einen Blick auf die unheilvolle Rolle des Verbandes während der Nazizeit.
So äußerte sich Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Hartmannbundes und zugleich amtierender Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), kritisch zur bisherigen Aufarbeitung der Rolle des Verbandes während des Nationalsozialismus.
Bei bisherigen Rückblicken auf die Geschichte des Hartmannbundes sei diese unzureichend betrachtet worden. „Das muss sich ändern“, sagte Reinhardt und verwies auf eine Untersuchung, die der Hartmannbund in Auftrag gegeben habe.
Auf diese Untersuchung ging im Anschluss der mit der entsprechenden Recherche beauftragte Geschichtswissenschaftler Heiner Fangerau von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ein. „Der Hartmannbund war kein Opfer der NS-Zeit“, machte er klar.
Der systematische Ausschluss von jüdischen, „nicht arischen“ Mitgliedern müsse ebenso aufgearbeitet werden, wie die medizinischen Verbrechen – zum Beispiel die Ermordung von Menschen in der Psychiatrie oder Zwangssterilisationen – durch Ärztinnen und Ärzten.
Aufarbeitung sei ein ständiger Prozess. Gerade die vielen jungen Menschen im Verband stünden für diese Notwendigkeit. Die gelte im Übrigen auch für die Betrachtung der Neugründung des Hartmannbundes nach dem Krieg. So sei der erste Vorsitzende, Theodor Dobler, ein aktiver Nationalsozialist gewesen. Auch sein Nachfolger Friedrich Thieding sei nicht „unbelastet“. Über all dies müsse gesprochen werden, der „Stachel muss im Fleisch bleiben“, sagte Fangerau.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe (BFB), Peter Klotzki, hob die Bedeutung des Arztberufes als freier Beruf hervor und zeichnete das Bild des Schulterschlusses von BFB und Hartmannbund als Eckpfeiler der Freiberuflichkeit.
Er forderte ein Ende der „Misstrauensbürokratie“ als Begrenzung von Freiheit. In Zeiten der Bedrohung von außen, innerer Polarisierung und wirtschaftlicher Schwäche komme es darauf an, Konflikte zu moderieren und Gemeinschaften zu bilden. „Wir brauchen Mut, müssen uns selbst kümmern und dürfen nicht wegdelegieren“, so Klotzki.
Reinhardt erinnerte in Anlehnung an den Klotzki-Appell zur Bildung von Gemeinschaften an den Gründungsgedanken von Hermann Hartmann – die Ärzteschaft solle sich zusammenfinden, Kartelle bilden und damit die Not überwinden.
Das Bekenntnis zur Freiberuflichkeit und die Überzeugung, dass es über alle ärztlichen Berufsgruppen hinweg ein gemeinsames Grundverständnis brauche, bezeichnete er als „DNA des Hartmannbundes“. Man dürfe sich nicht in Einzelinteressen verzetteln, sondern müsse das Ganze im Blick haben.
Einen Appell an ärztliche Selbstverwaltung und Verbände, sich notwendigen Veränderungen zu stellen und sich – dort wo nötig – auch „neu zu erfinden und umzugestalten“, formulierte Stefan Windau, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen. In Anspielung auf Hartmanns damaligen Kampf gegen die „Verelendung der Ärzteschaft“ warnte Windau davor, die gesundheitliche Versorgung dürfe nicht „geistig verelenden“.
Er spreche nicht als Vertreter der Bundesregierung, sondern in erster Linie als Kollege, betonte in seiner Rede Hendrik Streeck, Mitglied des Bundestages und Drogenbeauftragter der Bundesregierung. Gesundheit sei zur Ware geworden, es gebe für die Fehler des Gesundheitssystems zwar hinreichend korrekte Diagnosen, aber keine wirksame Therapie.
Die Wahrheit sei, dass das System grundsätzlich reformiert werden müsse. „Wir müssen an die Wurzel gehen“, so Streeck. Dazu gehöre auch die Diskussion über verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen und darüber, welche Behandlungen wirklich nötig sind und welche vielleicht überflüssig. „Wir müssen weg von der Vollkaskomentalität“. Jede Strukturreform werde auch Verlierer haben – diesen Druck werde man aber aushalten müssen.
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