Medizin

Atypische Frakturen: Warum Bisphosphonate (manchmal) den Knochen zerbrechlich machen

  • Samstag, 5. August 2017

Ithaca – Bisphosphonate vermindern die Knochenresorption, was bei einer längeren Anwendung die Knochendichte erhöht, aber auch den Knochenumbau stört. Die Folge kann eine verminderte Bruchzähigkeit sein, die eine Studie in den Proceedings of the National Academy of Sciences (2017; doi: 10.1073/pnas.1704460114) für das Auftreten von atypischen Femurfrakturen verantwortlich macht, einer seltenen aber folgen­reichen Nebenwirkung der Osteoporose-Medikamente.

Bruch- oder Risszähigkeit (Fracture toughness) ist ein Begriff aus der Bruchmechanik, die sich mit den Gründen für die Bildung von Rissen in Materialien beschäftigt. Die „Fracture toughness“ wird mit sogenannten R-Kurven bestimmt. Sie messen die Länge der Risse (x-Achse), die sich unter der Einwirkung äußerer Kräfte (Y-Achse) bilden. Ein steile R-Kurve zeigt eine verminderte „Fracture toughness“ an.

Ein Team um Eve Donnelly von der Cornell University in Ithaca/New York hat die R-Kurve von Knochenspänen bestimmt. Die Späne waren 33 Patientinnen bei einer Operation zur Behandlung einer Femurfraktur oder bei der Implantation eines Kunstgelenks entnommen worden. Darunter waren auch 12 Frauen, die nach der Einnahme von Bisphosphonaten (über eine mittlere Dauer von 8,2 Jahren) eine atypische Femurfraktur erlitten hatten.  

Atypische Femurfrakturen sind eine erst vor einigen Jahren entdeckte Komplikation, zu der es unter der Langzeiteinnahme von Bisphosphonaten kommen kann – was die US-Arzneimittelbehörde zu der Empfehlung veranlasste, die Medikamente nach drei bis vier Jahren abzusetzen. Die betroffenen Frauen hatten die Medikamente nach heutigem Verständnis viel zu lange eingenommen.

Um die R-Kurve zu bestimmen, wurden Knochenspäne in der Größe von 5 mm x 0,5 mm x 0,5 mm einem Biegungsstress ausgesetzt, während die Rissbildung und Ausdehnung im Rasterelektronenmikroskop beobachtet wurde. Die Experimente ergaben eine deutlich steilere R-Kurve für Knochenspäne der Patientinnen, die eine atypische Fraktur erlitten hatten, gegenüber Frauen mit typischen Femurfrakturen oder auch Frauen ohne Frakturen, bei denen ein Gelenkaustausch vorgenommen wurde.

Interessant war auch der Verlauf der Materialrisse im Knochen. Bei knochengesunden Frauen oder Patienten mit typischen Frakturen sind die Risse häufig gewunden (erhöhte „Tortuosität“), während sie bei den Frauen mit atypischen Femurfrakturen oft den direkten Weg durch den Knochen nehmen. Dies könnte die röntgenologischen Befunden erklären, die häufig kurze glatte Frakturebenen zeigen. Und es passt vielleicht auch zu den Berichten der Patienten, nach denen die Knochenbrüche (nach gewissen Prodromalsymptomen) ohne größere äußere Einwirkung auftreten.

Weitere Untersuchungsergebnisse untermauern, dass es sich bei den atypischen Frakturen um eine Medikamentennebenwirkung handelt und nicht etwa um eine besondere Variante einer osteoporotischen Fraktur. Frauen mit atypischen Frakturen hatten in der Regel einen dickeren kortikalen Knochen, der einen höheren Mineral­gehalt und einen vermehrten Härtegrad aufwies, also das Gegenteil der Befunde einer Osteoporose. Höhere Dichte und Härtegrad sind jedoch nicht unbedingt ein Qualitäts­merkmal, unter der Behandlung mit Bisphosphonaten könnten sie ein erhöhtes Frakturrisiko anzeigen.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung