„Auszeit“ in Indien und Nepal

Die aktive Beteiligung am Weltkongress Intensive Care im australischen Sydney im Oktober 2001 markierte gleichzeitig den Beginn meines ”Sabbaticals” und das Ende meiner Tätigkeit als Kinder-Intensivmedizinerin. Als Oberärztin und in den letzten zwei Jahren in leitender Funktion als Chef de Clinique der Intensivmedizin, AMC, Universität Amsterdam in den Niederlanden war ich in den langen Tagen und Nächten der letzten zehn Jahre völlig ausgelastet mit der Erhaltung des Lebens junger Menschen.
In der gleichen Zeitspanne reifte ein Wunsch in mir: Zu Deinem vierzigsten Geburtstag machst Du Dir ein Geschenk. Du gönnst dir Zeit und Raum ganz für dich selbst, frei von Verpflichtungen. Eine Zeit für Reflektion, Kontemplation, Vertiefung und persönliches Wachstum. Nach zehn Jahren war es nun soweit, den Traum zu leben.
Die Kollegen im Krankenhaus reagierten überwiegend enthusiastisch, manche äußerten Zweifel über meinen Karriere-Bruch oder das Risiko des Arbeitsplatzverlustes. Dennoch wünschten mir alle viel Erfolg für meinen mutigen Entschluss. Mutig, ja, denn die Gestaltung und Nutzung meiner Auszeit entsprach nicht der gängigen Definition eines Sabbaticals - es handelt sich hier nicht um eine fachliche Weiterbildung im engeren Sinne oder die wissenschaftliche Arbeit an einer berühmten amerikanischen Universität. Mein Sabbatical diente dem Aufbruch zu einer inneren Reise, zu einem Studium buddhistischer Philosophie in Asien, zu spiritueller Praxis, der Begegnung mit berühmten Lehrern, der Erfahrung mit östlicher Ganzheitsmedizin und der Fotografie.
Fest entschlossen, mich nicht entmutigen zu lassen, hieß dass im Klartext: keine finanzielle Unterstützung und Kündigung. Erst ganz zum Schluss kam doch noch die mündliche Zusage, meine Stelle bis zu meiner Rückkehr nicht endgültig zu besetzen.
Erspartes wurde in einen Stapel Traveller Cheques gewechselt, die Post umadressiert, Impfungen und Visa geregelt, das Appartement vermietet, und eine Email-Liste der lieben Freunde und Verwandten angefertigt.
Meine Reiseziele Indien und Nepal waren mir aus meinen letzten 20 Jahren Reisen und humanitären Einsätzen wohl bekannt. Zusammen mit meiner besten Freundin Susanne Lücker (37), medizinisch technische Assistentin in Düsseldorf, habe ich im Mai 2001 mit Unterstützung ihres Arbeitgebers ein humanitäres Projekt für Nepal ins Leben gerufen: die Unterstützung des einzigen Kinderkrankenhaus in Nepal (Kanti-Children-Hospital) mit 300 Betten und medizinischem Fachpersonal für 12 Millionen Kinder unter 16 Jahren.
Der zweite Spendentransport mit über 900 Kilogramm an Hilfsgütern (Dezember 2001-Januar 2002), bestehend aus Medikamenten, Verbandsmaterial, Magensonden, Bettwäsche, Desinfektionsmittel, einem Hautdermatom für die Transplantationen der vielen Brandwundenopfer und Spielzeug, übertraf meine größten Erwartungen. Die auf die lokalen Bedürfnisse des Kinderkrankenhauses abgestimmte Hilfe vor Ort und Vorlesungen vor der Nepali-Pediatric-Association waren ein weiterer Erfolg.
Im eiskalten Winter des Himalaya begann meine geführte Zeit der Stille. Im Sechen Kloster in Boudha, dem heiligsten Pilgerort der Tibeter in Nepal, studierte ich unter Anweisung des berühmten und waisen Lama Choeki Nyima buddhistische Philosophie, lernte und praktizierte verschiedene Techniken zur Erforschung des Bewusstseins und verbrachte viele Stunden in einsamer Meditation - ein lebenslanger Suchpfad, der nach innen führt, durch die unerforschten Wirbel des Verstandes in das Gebiet der Seele.
In Dharamsala, dem Sitz des Dalai Lama und der tibetischen Exilregierung, konnte ich mein Studium der buddhistischen Philosophie weiterführen und ausweiten. Dazu gehörte auch eine Einführung in die tibetische Gesundheitslehre und das Leben der Exiltibeter. Besonders betroffen haben mich die Geschichten der aus den chinesischen Gefängnissen und nun aus Tibet nach Indien geflohenen Mönche und Nonnen, denen ich in der Abendschule einiges über Ge
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