Medizin

B-Zell-Lymphom: Studien zeigen Aussichten und Risiken der CAR T-Zelltherapie

  • Montag, 11. Dezember 2017
psdesign1 - stock.adobe.com
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Philadelphia/Houston – Die beiden CAR-T-Zelltherapien, die im Herbst in den USA zugelassen wurden, erzielen bei mehr als der Hälfte aller Patienten mit therapie-refraktären B-Zell-Lymphomen eine komplette Remission, die mit der Hoffnung auf eine Heilung in einer vormals aussichtslosen Situation verbunden sind. Zwei aktuelle Studien, die auf der Jahrestagung der American Society of Hematology in Atlanta vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2017; doi: 10.1056/NEJMoa1708566 und NEJMoa1707447) publiziert wurden, zeigen jedoch auch, dass die CAR-T-Zelltherapie nicht ohne Risiken ist.

Die CAR-T-Zelltherapie wurde bereits vor der Zulassung von Tisagenlecleucel (Kymriah von Novartis) und Axicabtagene ciloleucel (Yescarta von Kite Pharma) als „revolu­tionärer“ neuer Therapieansatz bei Leukämien und Lymphomen gefeiert, auch wenn die Behandlung nicht bei allen Patienten wirksam ist und in den USA aufgrund der hohen Kosten auch nur für wenige Patienten finanzierbar sein dürfte.

Die Kombination aus Zell-, Gen- und Immuntherapie faszinierte Fachwelt und Öffentlichkeit gleichermaßen, seit vor etwa sieben Jahren gleich bei den ersten Patienten eine unerwartete Remission erzielt wurde (Blood 2010; 116 :4099-4102), die bei vier der fünf ersten Patienten langfristig erhalten blieb (Molecular Therapy 2017; 25: 2245-2253).

Die Zulassung der beiden Präparate Kymriah und Yescarta zeigt, dass die komplexe Aufbereitung der T-Zellen in einem industriellen Maßstab möglich wäre. Die Bildung von CAR-T-Zellen gelingt in den Studie bei 99 Prozent der Patienten, und von der Entnahme der T-Zellen aus dem peripheren Blut (per Leukapherese) und der an­schließenden genetischen Modifizierung (Einbau eines chimären T-Zell-Rezeptors, CAR) bis zur Re-Infusion der Zellen vergingen im Mittel nur 17 Tage. Die Behandlung kann deshalb auch bei rasch progredienten Lymphomen (oder Leukämien) bei den meisten Patienten noch rechtzeitig durchgeführt werden.

Beide Therapien waren in klinischen Studien hoch effizient. Kymriah erreichte in der Phase 2-Studie ZUMA-1 bei 83 von 101 Patienten eine Response, die bei 55 Patienten (54 Prozent) komplett war, wie Sattva Neelapu vom MD Anderson Cancer Center in Houston jetzt mitteilt.

Yescarta erreichte in einer Fallserie von Stephen Schuster und Mitarbeitern, Perelman School of Medicine, Philadelphia, bei 16 von 28 Patienten (57 Prozent) nach sechs Monaten eine komplette Remission. In beiden Studien waren Patienten mit B-Zell-Lymphomen behandelt worden, bei denen alle etablierten Therapien ausgeschöpft worden waren und deren Prognose infaust war.

Die US-Arzneibehörde FDA hatte deshalb eine Zulassung erteilt, obwohl die Hersteller keine Ergebnisse aus vergleichenden Studien vorlegen konnten, wie dies normaler­weise gefordert wird. Auch ist die Dauer der Remissionen noch unbekannt. Die mediane Nachbeobachtungszeit in der Studie zu Yescarta betrug 15,4 Monate. Seit den Behandlungen mit Kymriah sind bisher 28,6 Monate vergangen.

Beide Studien zeigen, dass die CAR-T-Zelltherapie riskant ist. Die genetisch modifizierten T-Zellen greifen zwar gezielt B-Zellen an, die sie am Marker CD19 auf der Oberfläche der Krebszellen erkennen. Die Zytokine, die bei der Attacke freigesetzt werden, gelangen jedoch in den Kreislauf. Die Folge ist ein systemisches „Cytokine release syndrome“ (Zytokinfreisetzungssyndrom) mit Fieber, Hypoxie und Hypotonie, das das Leben der Patienten bedroht. In der ZUMA 1-Studie kam es zu drei behand­lungsbedingten Todesfällen (3,0 Prozent). Die Behandlung  mit Yescarta hatte den Tod eines Patienten (3,6 Prozent) zur Folge.

Die freigesetzten Zytokine greifen vor allem das Zentralnervensystem an. Enze­phalopathie, Verwirrtheit und Tremor sind häufige Nebenwirkungen, die in der ZUMA-1-Studie bei 64 Prozent der Patienten auftraten. Schuster berichtet über drei schwere Fälle einer Enzephalopathie (11 Prozent).

Die Gründe für das relative Versagen bei etwa der Hälfte der Patienten sind noch nicht genau bekannt. Zellklone, die keine CD19-Antigene auf der Zelloberfläche bilden, sind eine Möglichkeit. Zu den zukünftigen Strategien gehören deshalb CAR-T-Zellen, die neben oder anstatt von CD19 andere Marker von B-Zellen erkennen.

rme

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