Gesetzentwurf: Abgeordnete aller Fraktionen wollen geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verbieten
Berlin - Zehn Bundestagsabgeordnete aller vier Fraktionen wollen künftig die geschäftsmäßige, auf Wiederholung angelegte Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen. Vor der ersten Lesung der Gesetzentwürfe zur Regelung der Suizidbeihilfe am 2.Juli legte heute die Gruppe einen Gesetzentwurf zur „Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ vor.
Michael Brand (CDU), Kerstin Griese und Eva Högl (beide SPD), Harald Terpe und Elisabeth Scharfenberg (beide Grüne), Michael Frieser (CSU), Halina Wawzyniak und Kathrin Vogler (beide Linke) sowie Claudia Lücking-Michelund Ansgar Heveling (beide CDU) schlagen darin vor, die geschäftsmäßige Förderung des assistierten Suizids mit bis zu drei Jahren Gefängnis zu bestrafen.
Bundesärztekammer unterstützt den Vorschlag
Dieser Gesetzentwurf gehe in die richtige Richtung, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. „Wir haben immer davor gewarnt, dass sogenannte Sterbehilfsorganisationen unter wechselndem Rechtsstatus ihren Geschäften nachgehen können. Deshalb auch haben wir immer ein Verbot der organisierten Beihilfe zum Selbstmord gefordert. Der heute vorgelegte Gruppenentwurf kommt dieser Forderung nach und zeigt die rote Linie auf. Wir halten das für richtig und wichtig und unterstützen diesen Vorschlag.“
Den Initiatoren des Entwurfs geht es um die auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe, nicht um Beschwerdelinderung und Begleitung beim Sterbeprozess, wie es Ärzte in der Regel täten, betonten sie. Angehörige und nahestehende Personen, die ebenfalls nicht geschäftsmäßig handeln, seien ebenso von der Strafbarkeit ausgenommen. „Wir haben mit Unterstützung sachkundiger Expertinnen und Experten in sorgfältiger Beratung einen Gesetzentwurf erarbeitet, der in moderater Weise das Thema Suizidbeihilfe regelt, ohne auf der einen oder auch der anderen Seite zu weit zu gehen“, sagte Brand.
Ziel war ein ausgewogener Entwurf
Der Gruppenantrag solle ein Weg der Mitte sein und den gesetzgeberischen Handlungsbedarf bei der Stärkung der Palliativmedizin und der Hospize unterstreichen, erläuterte Terpe. Er beinhalte weder weitreichende neue Strafbarkeiten, wie ein Totalverbot, noch lasse er eine Öffnungsklausel für eine Ausweitung des ärztlich assistierten Suizids zu. „Wir glauben, damit den Erfordernissen eines ausgewogenen Entwurfs gerecht geworden zu sein.“
Die Abgeordneten wollen mit dem neuen Gesetz einem gesellschaftlichen „Gewöhnungseffekt" an geschäftsmäßige Formen des assistierten Suizids entgegentreten und hoffen auf breite parlamentarische Unterstützung. „Alte und/oder kranke Menschen sollen sich nicht durch das prinzipielle Angebot zu einem assistierten Suizid verleiten lassen oder gar direkt oder indirekt dazu gedrängt fühlen“, betonte Frieser. „Solchen nicht notwendig kommerziell orientierten, aber geschäftsmäßigen, also auf Wiederholung angelegten Handlungen ist deshalb zum Schutz der Selbstbestimmung und des Grundrechtes auf Leben auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzuwirken“, erklärte Högl, die ursprünglich für eine nicht-strafrechtliche Regelung plädiert hatte.
Diese Ansicht teilt der BÄK-Präsident: „Jede Form der organisierten Selbsttötungshilfe vermittelt den Eindruck legaler Geschäftstätigkeit. Allzuleicht entsteht dadurch gesellschaftliche Akzeptanz, die letztlich zu einem enormen Druck auf Menschen in der letzten Lebensphase führen kann.
Der Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, entsteht meist in einer akuten Notlage. Die meisten Menschen wissen zu wenig von den vielen medizinischen Möglichkeiten zur Begleitung Sterbender. Da müssen wir ansetzen und Hilfe zum Leben geben, nicht Hilfe zum Sterben."
Die Deutsche PalliativStiftung (DPS) äußerte sich bereits positiv zu dem Entwurf: „Der aktuelle Gesetzentwurf gegen eine Erleichterung von Selbsttötung ist der Königsweg und nimmt alle Forderungen der PalliativStiftung auf, erklärte der Vorstandsvorsitzende der DPS, Thomas Sitte. Heute gelte schon, dass bei Vorliegen einer Patientenverfügung niemand gegen seinen Wunsch am Leben erhalten werden dürfe. Gleichzeitig gelte aber, dass kein menschliches Leben aktiv beendet werden darf. Dieses spiegele der interfraktionelle Gesetzentwurf wider.
Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, begrüßte den heute vorgelegten Entwurf. „Jetzt wird es darauf ankommen, mit Augenmaß die ethische Debatte im Bundestag zu führen“, sagte er. Das Strafrecht allein ersetze nicht die notwendige sozialpolitische Debatte. Sowohl die Versorgung der Schwerstkranken und Sterbenden als auch der depressiv Kranken müsse in den Blick genommen werden.
CDU-Antrag fordert generelles Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung
Der heute vorgelegte Entwurf ist der zweite, der für die Debatte im Juli bereits fertig vorbereitet ist. Mitte Mai hatten bereits die CDU-Abgeordneten Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser spricht sich für ein generelles Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung aus. „Bei der Sterbebegleitung müssen wir eine Begleitung bis in den Tod fördern und nicht die Beförderung in den Tod. Wir müssen an dem festhalten, was uns der Grundsatz der Unantastbarkeit der Würde des Menschen gebietet“, sagte Sensburg.
Wenn der Bundestag Anfang Juli über die Suizidbeihilfe debattiert, liegen voraussichtlich vier Gesetzentwürfe vor. Eine Gruppe um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) will den assistierten Suizid ebenfalls grundsätzlich verbieten, ihn aber unter bestimmten Umständen als ärztliche Regelleistung erlauben.
Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) wenden sich gegen jedes strafrechtliche Verbot des assistierten Suizids. Nur die Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe soll verhindert werden. Anfang November soll das Parlament zwischen den Entwürfen entscheiden und ein Gesetz verabschiedet werden.
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