Vermischtes

Babyboomer können sich vorstellen, Pflegebedürftige zu unterstützen

  • Dienstag, 10. Dezember 2024
/picture alliance, Marijan Murat
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Berlin – Die Anzahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt weiter. Dies zeigt eine Auswertung des Wissen­schaftlichen Instituts der AOK (WIdO) für den Pflegereport 2024, der heute in Berlin vorgestellt wurde. Markante Unterschiede gibt es demnach auf regionaler Ebene. Um die damit verbundenen Herausforderungen zu bewälti­gen, wird auf die Unterstützung der Babyboomer gezählt.

Während der Anteil Pflegebedürftiger zwischen 2017 und 2023 bundesweit im Schnitt um 57 Prozent stieg, gab es in manchen Kreisen Zuwachsraten von unter 40 Prozent und andere mit mehr als 140 Prozent.

Besonders hoch war der Anstieg demnach in Landkreisen in Ostdeutschland, Nordrhein-Westfalen, Hessen und im Saarland. Dort waren zwischen 9,1 und 17,1 Prozent der Versicherten in der Pflegeversicherung pflegebedürf­tig und damit mehr als im bundesweiten Schnitt von sieben Prozent. In Bayern und Baden-Württemberg gab es hingegen Kreise, in denen weniger als 5,7 Prozent betroffen waren.

Allein das Alter erklärt den starken Zuwachs dem WIdO zufolge aber nicht. Die beobachtete Pflegeprävalenz stimmte der Analyse zufolge in nur zwei von 400 Kreisen und kreisfreien Städten mit der demografisch zu erwartenden Pflegeprävalenz überein. Bei einem reinen Fortschreiten der Alterung von 2017 bis 2023 wäre eine Zunahme der Pflegebedürftigen von bundesweit 21 Prozent erwartbar gewesen – sie lag aber bei 57 Prozent.

Neben der demografischen Entwicklung sind vor allem die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der 2017 eingeführt worden war, der Demenzanteil, das Vorhandensein einer Pflegeperson und raumstrukturelle Aspekte in den Landkreisen mitverantwortlich, erläuterte Susann Behrendt, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege am WIdO und Mitherausgeberin des Pflegereports.

„Diese Zusammenhänge und Muster müssen aber noch genauer erforscht werden – auch, um bei der Gestaltung der pflegerischen Versorgungsstrukturen vor Ort noch gezielter vorzugehen“, sagte Behrendt. „Wichtig dafür ist es vor allem, regionale Transparenz herzustellen, damit regionale Antworten auf zukünftige Herausforderungen in der Pflege gefunden werden können“.

Um den Herausforderungen der steigenden Pflegebedürftigkeit gerecht zu werden, forderte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, ein Umdenken in der Pflege und machte auf Konzepte zur Unterstützung der professionellen Pflege aufmerksam.

„Wenn wir Menschen im Teilleistungssystem der Sozialen Pflegeversicherung auch künftig so lange wie möglich gut in der gewohnten Umgebung versorgen möchten, müssen wir neue Wege in der Pflege gehen“, sagte sie. Ein geeigneter Ansatz, auch für die regionale Ebene, seien sogenannte Caring Communities, ein Konzept der sozialräumlichen Planung, wie es derzeit in der Stadt Hannover verwirklicht wird.

Je nach Bedarf werden dabei Quartierszentren geschaffen, die innovative Wohnformen, professionelle Pflege und unterstützende Netzwerke aus An- und Zugehörigen, Ehrenamtlichen sowie professionellen Akteuren der Gesundheits- und Pflegeversorgung integrieren. Neben therapeutischen, medizinischen und pflegerischen Angeboten gibt es dort auch Beratungs-, Bildungs- und Kulturangebote zur gesellschaftlichen Teilhabe.

„Wir haben in Deutschland bereits ein gutes Netz an Freiwilligen, und es wird für die Zukunft wichtig sein, diese Ressource auch für Sorge und Pflege stärker zu aktivieren", machte Reimann auf die Ergebnisse einer forsa-Umfrage aufmerksam, bei der nach der Bereitschaft zur Übernahme von Sorgeaufgaben im Rahmen von Caring Communities unter Babyboomern gefragt wurde.

Demnach können sich etwa zwei Drittel (64 Prozent) der Generation 60 plus grundsätzlich vorstellen, Tätig­keiten zur Unterstützung Pflegebedürftiger im Alltag in organisierten Netzwerken zu übernehmen. Gut jeder Vierte (43 Prozent) engagiert sich bereits ehrenamtlich – jeder Fünfte (22 Prozent) unterstützt alte, kranke, pflegebedürftige Menschen oder Menschen mit Behinderung.

Eine große Mehrheit kann sich demnach vorstellen, Pflegebedürftige etwa beim Einkauf zu unterstützen. Aber auch bei Freizeitaktivitäten, Behördengängen oder Arztbesuchen gibt es eine große Hilfsbereitschaft. „Diese Zahlen spornen an, das Leitbild von Caring Communities weiter zu verfolgen“, betonte Reimann.

Es gehe keineswegs darum, die professionelle Pflege zu ersetzen, sondern vielmehr um ein ergänzendes Hilfe-Netzwerk, sagte sie. Denn die Mehrheit der Befragten könne sich selbst gut vorstellen, bei Pflegebedürftigkeit Hilfe Ehrenamtlicher in Anspruch zu nehmen, um möglichst lange im gewohnten Umfeld wohnen zu bleiben.

Die Umfrage war von der AOK in Auftrag gegeben worden. Befragt wurden repräsentativ ausgewählt 2.000 Personen, darunter 1.000 der Generation Babyboomer.

Das Konzept der Caring Communities basiert auf der Veröffentlichung der Empfehlungen des GKV-Spitzenver­bands und der Länder zu gemeinsamen Modellvorhaben von Kommunen, Ländern und Pflegeversicherung vom 18. November. Die Modellvorhaben sind zeitlich auf vier Jahre begrenzt. „Geeigneter wäre gerade durch den starken Handlungsdruck für neue Lösungen ein permanentes Strukturentwicklungsbudget“, machte Reimann deutlich.

nfs/kna/dpa

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