Barmer: Patienten sollten nur in Krankenhäusern mit hoher Expertise operiert werden

Berlin – Die Barmer hat sich dafür ausgesprochen, Operationen verstärkt in Krankenhäuser zu verlagern, in denen die entsprechenden Eingriffe häufig vorgenommen werden.
„Durch die konsequente Verlagerung von Operationen in Kliniken mit mehr Erfahrung und besserer Ausstattung können Qualität und Patientensicherheit deutlich erhöht werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer, Christoph Straub, heute bei der Vorstellung des Krankenhausreports 2022 in Berlin. „Diese Potenziale gilt es jetzt im Sinne der Patienten konsequent zu heben.“
Wie in dem Report gezeigt wird, ist es insbesondere in Ballungsgebieten möglich, Operationen in Krankenhäuser zu verlagern, in denen die Eingriffe häufig vorgenommen werden, ohne die Fahrtzeit für die Patientinnen und Patienten deutlich zu erhöhen. Für fünf Prozent der Hüft- und Knieoperationen sowie für drei Prozent der Herzinfarkteingriffe wurde geprüft, ob diese sich von Standorten mit der geringsten Routine an Kliniken mit höheren Fallzahlen verlagern lassen.
Im Ergebnis ließen sich die Hüft- und Knieeingriffe von 192 Standorten mit unter 187 Eingriffen pro Jahr verlagern, ohne dass maßgeblich längere Anfahrtswege entstanden wären. Lediglich bei 76 Kliniken wäre dies nicht möglich. Ein ähnliches Bild zeichnete sich bei den Eingriffen am Herzen ab. Hier ließen sich Eingriffe von 137 Krankenhäusern ohne spürbar längere Anreisen verlagern. Bei 74 Kliniken wäre dies nicht machbar.
Fahrzeiten würden sich kaum erhöhen
Insgesamt könnten dem Report zufolge pro Jahr mindestens 18.000 der insgesamt mehr als 500.000 Hüft- und Knieoperationen an anderen Standorten durchgeführt werden, ohne dass sich die Fahrzeit für die Patienten deutlich verlängert. Analog ließen sich von den rund 400.000 Eingriffen am Herzen über 8.000 verlagern.
„Die Verlagerung von Operationen hat nur einen geringfügigen Einfluss auf die Fahrzeiten. Dem stehen erwartbare Qualitätssteigerungen in der Behandlung gegenüber“, sagte der Autor des Reports, Boris Augurzky, der den Kompetenzbereich „Gesundheit“ am RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung leitet. „Wo immer eine Verlagerung möglich ist, sollte sie daher erfolgen. Unsere Berechnungen haben dabei berücksichtigt, dass sich die Fahrzeit für niemanden auf über 40 Minuten erhöht.“
Verlagerungen vor allem in Ballungszentren möglich
„Patientinnen und Patienten sollten möglichst in Krankenhäusern behandelt werden, die eine gewisse Fallzahl in einem spezifischen Leistungsbereich aufweisen“, betonte Augurzky. „Die bereits bestehenden Mindestmengenregelungen sollten ausgeweitet und ihre strikte Umsetzung stärker forciert werden. Dabei entstünde in den meisten Regionen keine Gefahr für die Versorgungssicherheit.“
Besonders in Ballungszentren Nordrhein-Westfalens, Bayerns und Hessens sowie in den Stadtstaaten können dem Report zufolge ohne Probleme viele Eingriffe verlagert werden, weil zahlreiche andere Häuser in relativ geringer Distanz vorhanden sind. In Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und seien Verlagerungen aufgrund der geringeren Klinikdichte nur begrenzt möglich.
„Diese Flächenländer sollten eine Vorreiterrolle bei alternativen Behandlungsmöglichkeiten wie der telemedizinischen Vernetzung oder Videosprechstunden und der sektorenübergreifenden Versorgung einnehmen“, schlug Augurzky vor.
Zudem hat die Barmer ein Zehn-Punkte-Papier zur sektorenübergreifenden Versorgung vorgelegt. „Wir plädieren für regionale Versorgungszentren, in denen ortsnah sowohl die ambulante Behandlung als auch die Grund- und Notfallversorgung gewährleistet wird“, sagte Straub.
„Komplexe chirurgische Eingriffe sollen dagegen in größeren Kliniken erfolgen, in denen die Ärzte sowie das Pflegepersonal die nötige Expertise für solche Operationen haben. Die Verlagerung von Eingriffen in diese Standorte ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Versorgungsqualität.“
Fallzahlen bleiben auf niedrigem Niveau
Im Krankenhausreport wird immer auch das gesamte akutstationäre Versorgungsgeschehen in Deutschland analysiert. „Nach einem starken Einbruch der Zahl der Krankenhausfälle im Jahr 2020 blieben diese aufgrund der Coronapandemie auch im Jahr 2021 auf geringem Niveau: lediglich 199,3 Krankenhausfälle je 1.000 Versicherte und damit 12,5 Prozent weniger im Vergleich zum Jahr 2019“, erklärte Augurzky. „Die Ausgaben je Versicherten stiegen im Jahr 2021 nach einem geringeren Wachstum im Jahr 2020 wieder stärker von 1.037 Euro auf 1.062 Euro an.“
Große regionale Unterschiede seien bei den stationären Fallzahlen aufgetreten, sagte Augurzky. So hatten das Saarland und Thüringen im Jahr 2021 mit 230,7 beziehungsweise 223,7 Fällen je 1.000 Versicherte die höchsten Fallzahlen. Die niedrigsten Werte verzeichnete Bremen mit 167,9 Fällen: ein Unterschied von 37,4 Prozent.
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