Ärzteschaft

Bayerische Landesärztekammer mahnt nachhaltige Gesundheitspolitik an

  • Mittwoch, 11. Oktober 2023

München – Die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK) befürchtet auch im kommenden Winter vermehrt Lieferengpässe bei Medikamenten. Im Vorfeld des Bayerischen Ärztetages, der am Wochenende in Landshut stattfindet, forderte Kammerpräsident Gerald Quitterer von der Bundesregierung wirksame Gegenmaßnah­men.

Die Beschlüsse, die in Berlin bereits gefasst worden seien, etwa zu einer höheren Erstattung bei bestimmten Arzneien, seien nicht ausreichend, sagte er. Die Arzneimittelproduktion in Europa müsse wieder attraktiver gemacht werden.

Bei besonders wichtigen Arzneimitteln müsse es eine bessere Vorratshaltung geben, forderte Bayerns Ärzte­kammerpräsident. Er sieht aber auch eine Verantwortung bei Apotheken und Patienten. Es sei fatal, wenn Nachrichten über Engpässe zu Hamsterkäufen führten, warnte Quitterer.

Der Kammerpräsident forderte außerdem, die Prävention auszubauen und die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. „Wir brauchen eine enkeltaugliche Gesundheitspolitik“, betonte er – Gesundheit müsse im Sinne eines „Health-in-all-policies“-Ansatzes in allen Politikfeldern mitgedacht werden.

Der Präsident plädierte außerdem dafür, die Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen in Kinder­gärten und Schulen frühzeitig zu stärken. „Vor allem durch Förderung gesunder Ernährung und von Bewegung könne auf diese Weise gesundheitsbewusstes Verhalten und damit eine wirksame Krankheitsprävention erreicht werden“, sagte er.

Ein weiteres wichtiges Thema ist laut Quitterer die Patientensteuerung. „Derzeit stellen wir fest, dass ein un­gesteuerter Zugang zum Gesundheitswesen dieses solidarisch finanzierte System an die Grenzen seiner Leis­tungsfähigkeit bringt: Jeder zu jeder Zeit überall von jedem alles – dieser Anspruch muss auf den Prüfstand“, so Quitterer.

Mehr Mut bei der Krankenhausreform fordert der erste Vizepräsident der BLÄK, Andreas Botzlar. „Aktuell sollen die Fallpauschalen zu Gunsten einer Vorhaltevergütung lediglich abgesenkt werden. Auf diese Weise wirken aber Fehlanreize weiter, die schon bisher zu massiven Fehlentwicklungen in unserem Gesundheits­system geführt haben“, kritisierte er die Pläne der Bundespolitik.

Derzeit tendierten Kliniken dazu, eine möglichst hohe Zahl renditeträchtiger Fälle zu behandeln und weniger den tatsächlichen Versorgungsbedarf von Patientinnen und Patienten zu berücksichtigen, sagte er. „Deshalb braucht es bei der Krankenhausreform eindeutig mehr Mut von Bund und Ländern“, so Botzlar. Außerdem wer­de das Nebeneinander zweier Finanzierungssysteme zu deutlich mehr Bürokratie führen, so seine Befürch­tung.

Botzlar betonte, der Berufsalltag der Ärzte in den Krankenhäusern sei von einer stetigen Arbeitsverdichtung geprägt. „Klinikärzte sind durch eine überaus hohe Anzahl von Überstunden und zu viele Nacht- und Wochen­enddienste chronisch überlastet“, warnte er. Dabei gehe ein erheblicher Teil der Arbeitszeit durch administra­tive Tätigkeiten wie Datenerfassung und Dokumentation verloren, im Mittel drei Stunden pro Tag.

Etwa 25 Prozent der Befragten erwögen aus diesen Gründen eine Aufgabe ihrer ärztlichen Tätigkeit. „Die Kran­kenhäuser benötigen deshalb unbedingt eine patienten- und aufgabengerechte ärztliche Personalaus­stattung, einen vollständigen Ausstieg aus dem Fallpauschalensystem und die komplette Übernahme ihrer für Infrastruktur, Personal und Technik aufgewendeten Vorhaltekosten“, so seine Forderungen.

Die zweite Vizepräsidentin der BLÄK, Marlene Lessel, kritisierte im Vorfeld des Bayerischen Ärztetages die Kommerzialisierungswelle im ambulanten Sektor und forderte, einer marktbeherrschenden Stellung von renditeorientierten Investoren vorzubeugen.

Für Ärzte müssten Möglichkeiten geschaffen werden, reibungsloser eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für ihre Praxis zu finden. Denn oft bliebe ihnen ansonsten nur die Option, die Praxis vor ihrem Ruhestand an ein Medizinisches Versorgungszentrum zu verkaufen. Sie plädierte in diesem Zusammenhang für mehr Engagement der Niedergelassenen in der Weiterbildung.

„Wir sollten uns um eine Weiterbildungsbefugnis, gegebenenfalls auch um einen Weiterbildungsverbund, kümmern. Während der Weiterbildung können die jungen Kolleginnen und Kollegen die positiven Aspekte einer Praxistätigkeit erleben und Erfahrungen machen, sodass sie sich gegebenenfalls für eine Niederlassung entscheiden und auch eine Praxis als Inhaberin oder Inhaber fortführen oder neu gründen“, sagte sie.

Lessel kündigte an, sie werde sich für mehr Weiterbildungsbefugnisse im ambulanten Bereich einsetzen. „Eine ausreichende Finanzierung der Weiterbildung im fachärztlichen Bereich steht dabei bereits auf der Agenda“, so die zweite Vizepräsidentin.

hil

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