Wissenschaftler fordern breite Diskussion zu CRISPR/Cas9

Berlin – Eine gesamtgesellschaftliche Diskussion über ethische und rechtliche Fragen neuer molekularbiologischer Methoden, die gezielte Eingriffe in das menschliche Erbgut erlauben, fordern Wissenschaftler der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Eine Expertengruppe der Akademie hat dazu jetzt ein Diskussionspapier „Ethische und rechtliche Beurteilung des genome editing in der Forschung an humanen Zellen“ vorgestellt.
Zu den Autoren gehören unter anderen der frühere Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Genforscher Ernst-Ludwig Winnacker, der Mannheimer Jurist Jochen Taupitz, der Heidelberger evangelische Theologe Klaus Tanner und die Münsteraner Medizinethikerin Bettina Schöne-Seifert.
Bislang galten gezielte Eingriffe ins menschliche Erbgut als technisch schwer machbar. Doch künftig kann eine präzise schneidende Genschere das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen verändern – einfach, billig und hocheffizient.
„CRISPR/Cas9“ nennt sich eine 2012 vorgestellt Methode, die sich „anschickt, unsere Lebenswelt radikal zu verändern“. Das hat der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, in der Januar-Ausgabe des Magazins Forschung und Lehre betont. Damit verbunden seien „unerwartete Chancen“ und „kaum kalkulierbare Risiken“, schreibt er.
Die Leopoldina-Autoren will mit der Veröffentlichung jetzt darauf hinweisen, dass ein breiter öffentlicher Diskurs über das Thema Genome Editing in der medizinischen Forschung dringend geboten sei, insbesondere, was Eingriffe in Embryonalzellen angehe. Die Forschung an menschlichen Embryonen sei zwar in Deutschland durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Das Gesetz, das 2011 zuletzt geändert wurde, decke aber nicht alle Fragen ab, die die neuen Methoden der Genomchirurgie aufwerfen, so die Leopoldina-Wissenschaftler.
Sie vertreten unter anderem die Position, dass der Einsatz von Genome Editing zur Erforschung der menschlichen Embryonalentwicklung sinnvoll ist, weil die Entwicklung beim Menschen sich in einigen Aspekten deutlich von der Embryonalentwicklung bei Tieren unterscheide. Ferner halten die Leopoldina-Wissenschaftler die Forschung an frühen Embryonen für die Grundlagenforschung für äußerst wichtig.
Sie versprechen sich durch die neuen Methoden neue Erkenntnisse für das Verständnis der frühen Embryonalentwicklung und damit auch verbesserte Verfahren der In-vitro-Fertilisation (IVF) und neue Therapien für genetische Erkrankungen. Schon heute würden Erfolg versprechende klinische Studien an HIV-Patienten und zur Behandlung von Krebs durchgeführt.
Eine Absage erteilen die Autoren des Diskussionspapiers Versuchen, mittels Genome Editing genetische Verbesserungen des Menschen zu erzielen. Abgesehen von den nicht abschätzbaren Risiken werfen solche Bestrebungen fundamentale ethische und soziale Fragen auf, so die Wissenschaftler.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: