Medizin

Benzodiazepine: Studie findet kein langfristiges Demenzrisiko

  • Freitag, 5. Februar 2016
Uploaded: 05.02.2016 18:45:06 by mis
dpa

Seattle – Entgegen manchen Befürchtungen war der häufige Einsatz von Benzo­diazepinen bei US-Senioren in einer prospektiven bevölkerungsbasierten Kohortenstudie im Britischen Ärzteblatt (BMJ 2016; 352: i90) nicht mit einer erhöhten Rate von Demenzerkrankungen assoziiert. Die Pharmakologen raten dennoch von einer langfristigen Verordnung ab.

Wegen der Gefahr einer Abhängigkeit sollen Benzodiazepine nur über einen kurzen Zeitraum verschrieben werden. Bei älteren Menschen kommt eine erhöhte Gefahr von Stürzen und Frakturen hinzu. Dennoch ist es kein Geheimnis, dass Benzodiazepine im Alter häufig verordnet werden. Auch ein Drittel der Teilnehmer der „Adult Changes in Thought Study“, eine repräsentative Stichprobe von etwa 4.000 Mitgliedern des Versicherers Group Health aus Seattle im Alter über 65 Jahre hatte vor Beginn der Studie Benzodiazepine erhalten.

Im Verlauf der 7,3 Jahre dauernden Beobachtungszeit entwickelten dann 23,2 Prozent der Teilnehmer eine Demenz, die bei vier von fünf Patienten einem Morbus Alzheimer zugeordnet wurde. Angesichts des hohen Alters der Patienten von im Mittel 75 Jahren zu Beginn der Studie war dies keine ungewöhnlich hohe Rate von Demenz­erkrankungen, und Shelly Gray von der University of Washington School of Pharmacy konnte keine Abhängigkeit zu früheren Benzodiazepin-Verordnungen erkennen.

Auch bei den Personen, die vor Beginn der Studie mehr als 121 Tagesdosen erhalten hatten, traten Demenzerkrankungen nur unwesentlich häufiger auf. Gray ermittelte eine Hazard Ratio von 1,07, die mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,83 bis 1,37 nicht signifikant war. Alzheimer-Demenz wurde mit einer Hazard Ratio von 0,95 (0,71 bis 1,27) sogar tendenziell seltener beobachtet. 

Interessanterweise hatten Senioren, die 0 bis 30 Tagesdosierungen erhalten hatten, mit einer Hazard Ratio von 1,25 (1,03-1,51) ein signifikant erhöhtes Demenzrisiko. Bei den Teilnehmern mit 31 bis 120 Tagesdosierungen war die Hazard Ratio von 1,31 (1,00-1,71) ebenfalls signifikant erhöht. Gray deutet dies als mögliche reverse Kausalität: Es sei möglich, dass Teilnehmer mit einer beginnenden Demenz unter Schlafstörungen oder anderen Störungen gelitten haben, die zur vermehrten Verordnung von Benzodiazapinen geführt hat.

Eine Stärke der Studie besteht darin, dass die Teilnehmer alle zwei Jahre auf Symptome einer Demenz gescreent wurden, auch wenn der dabei verwendete Test, das cognitive abilities screening instrument, CASI) als nicht sehr zuverlässig gilt. Frühere Unter­suchungen hatten sich auf die Auswertung von elektronischen Krankenakten beschränkt. Dort war teilweise eine erhöhte Rate von Demenzerkrankungen nach der häufigen Anwendung von Benzodiazepinen ermittelt worden.

rme

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